Hermann von Helmholtz und das menschliche Auge

Der Aufbau des menschlichen Auges entspricht ungefähr dem anderer Wirbeltiere. Es ist empfindlich und ein hoch entwickeltes Sinnesorgan.

Ein bedeutender Wissenschaftler des neunzehnten Jahrhunderts, welcher sich umfassend mit der Optik befasste, war der Physiker und Physiologe Hermann von Helmholtz (1821-1894). Seine bahnbrechenden Erkenntnisse über die Empfindlichkeit des Auges und die Dreifarbentheorie des Sehens, veröffentlichte er in seinem dreibändigen «Handbuch der physiologischen Optik», erschienen 1863-1867 https://doi.org/10.3931/e-rara-21259. Der Physiologe Emil du Bois-Reymond bemerkte in seiner Gedenkrede auf Hermann von Helmholtz über sein Handbuch, dass «keine wissenschaftliche Literatur irgendeiner Nation ein Buch besitzt, welches diesem an die Seite gestellt werden kann». Das Urteil mag übertrieben ausfallen, aber aus ihm spricht ein in der damaligen Zeit weitverbreitetes Ideal von Naturforschung. Und auch spätere Experten stellen fest, dass das Handbuch nicht nur unübertroffen den damaligen Forschungsstand auf dem Gebiet des Gesichtssinns zusammenfasst, sondern eine Art Monument des wissenschaftlichen Geistes dieser Epoche darstellt.

Die Schrift teilt sich in drei Abteilungen: die physikalische Darstellung der Dioptrik des Auges, die Lehre von den Gesichtsempfindungen und schliesslich die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen. In dieser Dreiteilung kommt Helmholtz’s wichtige Aussage zum Ausdruck: «Wir benutzen die Empfindungen, welche Licht in unserem Sehnervenapparat erregt, um uns Vorstellungen über die Existenz, die Form und die Lage äusserer Objekte zu bilden.» Also Sehen ist primär als eine psychische Tätigkeit zu verstehen, in der über Sinnesdaten verfügt wird, um sich Bilder von der materiellen Welt zu machen.

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Abb. 1

Eine für Augenmediziner wichtige Erfindung von Helmholtz ist zweifelsohne der Augenspiegel (Ophthalmoskop). Die dazugehörige Theorie beschreibt er im Abschnitt über die Dioptrik des Auges. Bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war es nicht möglich, das Innere des Auges zu untersuchen und die Netzhaut und Linse zu betrachten. Das dazu benötigte gestreute Licht muss eingefangen werden können, weil sich sonst entweder der Beobachter zwischen Lichtquelle und dem zu untersuchenden Auge oder die Lichtquelle sich zwischen Beobachter und dem zu untersuchenden Auge befindet. In beiden Fällen ist eine Beobachtung nicht möglich. Zur Lösung dieses Problems entwickelte Helmholtz ein Gerät, welches den Augenhintergrund beleuchtet und das gestreute Licht somit mit dem eigenen Auge aufgefangen werden kann. Mit dieser einfachen Methode kann der Augenhintergrund in Vergrösserung direkt beobachtet werden. Dieser Augenspiegel wird bis heute in der Augenheilkunde verwendet.

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Abb. 2

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Abb. 3

In der Lehre der Gesichtsempfindungen wird anhand zahlloser Untersuchungen die Reizung des Sehnervenapparats beschrieben, was wiederum die in der Zeit aktuellsten Fachkenntisse im Bereich Farbentheorie beeinflusste. Unter anderem faszinieren die Ergebnisse der Täuschungen in der Wahrnehmung, welche durch Bestrahlung (Irradiation) ausgelöst werden: Stark beleuchtete Flächen erscheinen grösser, als sie wirklich sind, während die benachbarten dunkeln Flächen ebenso viel kleiner erscheinen. Oder Gitterlinien, welche sich je nach Netzhauthorizont und Blickebene krümmen. Wahrnehmungen, die uns allen im Alltag begegnen, werden minutiös dargelegt und in einen wissenschaftlichen Kontext gestellt.

Während Zeitgenossen die Qualität des Handbuches besonders zu schätzen wussten, waren die Fachkreise des zwanzigsten Jahrhunderts auch von seiner immensen Literaturkenntnis beeindruckt. Eine Übersetzung ins Französische erfolgte noch im Jahr 1867, eine Übersetzung ins Englische nach dem ersten Weltkrieg.

Literaturhinweise:

  • Helmholtz, Hermann: “Handbuch der physiologischen Optik”, Leopold Voss, Leipzig, 1867, Rar 4866
  • “Hermann von Helmholtz” – Gedächtnisrede von Emil du Bois-Reymond, Veit-Verlag, Leipzig, 1897
  • “Hermann von Helmholtz” von Michael Ruoff, UTB-Profil. Uni-Taschenbücher 3034, Stuttgart, 2008

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