«hier ruht kein grosser ZÜRCHER»

Mitten in Zürich, versteckt zwischen Altstadthäusern, befindet sich der Brunnen Rosenhof. Die Inschrift auf der Brunnen-Skulptur stammt von niemand Geringerem als Max Frisch. Sie führt zurück in die politisch bewegten 1960er-Jahre.

Verlässt man im Zürcher Niederdorf den Trubel der Niederdorfstrasse und betritt den kleinen, Rosenhof genannten Platz, wird man von der Ruhe und Kühle der grossen Bäume empfangen. Nicht zu übersehen ist die kubische Brunnenskulptur des Schweizer Bildhauers Peter Meister (1934–1999).

In seiner heutigen Form ist der Rosenhof erst in den 1950er-Jahren entstanden, als im Zuge einer Altstadtsanierung längs der Schweizerhof- und der Weingasse drei Häuserreihen abgerissen wurden. Aus einem Bericht der Zürcher Denkmalpflege über die Jahre 1966 und 1967 ist zu erfahren, dass es ein Anliegen des Hochbauamts war, diesen Platz im Sinn einer «Reaktivierung und Pflege der Altstadt» als Erholungs- und Lebensraum zu gestalten. Den Fussgänger:innen und den «Angestellten mit englischer Arbeitszeit», so der Wortlaut des Berichts, sollte ein Ruheort zur Verfügung stehen und eine Mittagspause im Freien ermöglicht werden.[1]

Im Zentrum der Neugestaltung stand der Brunnen, der 1967 errichtet wurde. Er sollte gerade nicht «einfach ein weiteres Zeugnis der städtischen Kunstpflege» sein, sondern zum individuellen Verweilen und Nachdenken anregen. Oder auch zum ‘Wässerle’ …

Brunnen Rosenhof

Der Brunnen im Jahr 1967 (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich, BAZ_069093)

Max Frisch war eingeladen, zur Gestaltung des Brunnens, die Skulptur und Wort verbindet, eine Chronik des Jahrs 1967 beizutragen. Seinen Text hat er nicht den herausragenden Figuren der Zeitgeschichte gewidmet, sondern den namenlos Bleibenden; zeitaktuell auch den Opfern des Kriegs in Vietnam. Frischs eigener Name fehlt auf der Brunnen-Stele. Der an eine Schreibmaschinentype erinnernde Text steht und wirkt für sich – paradox mit den selbstbezüglichen Worten:

hier ruht kein kalter krieger

dieser stein, der stumm

ist, wurde errichtet

zur zeit des krieges in

VIETNAM

Brunnen_Rosenhof_2023

Der Brunnen heute (Max Frisch-Archiv, Zürich/Sandra Flatt)

Der Text der Inschrift ist auch in Frischs Tagebuch 1966–1971 abgedruckt. Dort findet er sich unter dem Titel «Text für Brunnen Rosenhof». Spannend ist, wie Frisch ihn auf die zweidimensionale Papierseite übersetzte. Er wählte mehrere Spalten, so dass die Sätze in verschiedenen Richtungen gelesen werden können – fast ein visuelles Gedicht.

Auf dem Brunnen erscheinen sie umgebrochen auf den vier Seiten der Stele:

Brunnen_Rosenhof_2023_2

HIER RUHT 1967
kein grosser
ZUERCHER
denker und
STAATSMANN
oder REBELL
weitsichtiger
PLANER
der freiheit
usw.
NIEMAND
zeitGENOSSE
patriot
REFORMATOR
DER SCHWEIZ
im xx. jahrhundert
BEGRUENDER
der ZUKUNFT
die trotzdem kommt

Im Rosenhof vorbeizuschlendern oder zu verweilen, Frischs Text nachzulesen und zu be-‘greifen’ lohnt sich.

Tipp

Entdecken Sie weitere Orte in Zürich auf den Spuren von Max Frisch mit dem Virtuellen Stadtspaziergang des Max Frisch-Archivs.

 

Literatur

[1] Benedikt Huber: Rosenhof, in: Zürcher Denkmalpflege, 5. Bericht 1966/67, hg. v. Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich, Stadtrat Winterthur und Bauamt II der Stadt Zürich, 1971, S. 189–191, hier S. 191

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