Antike Architektur als Inspirationsquelle: «Les antiquités d’Athènes» von James Stuart und Nicholas Revett

Der Turm der Winde in Athen, auch Horologion des Andronikos genannt, gilt als eines der besterhaltenen Gebäude der Antike in Griechenland (Kienast 2014, 1). Die erste detaillierte Darstellung dieses Gebäudes befindet sich im Werk «Les antiquités d’Athènes» von James Stuart (1713-1788) und Nicholas Revett (1720-1804) (Kienast 2014, 1). Stuart und Revett verbrachten Mitte des 18. Jahrhunderts drei Jahre in Athen und vermassen viele antike Bauwerke. Sie suchten nach den Ursprüngen der antiken Architektur (Stuart; Revett 1808, S. 7):

«Il semble donc évident que c’est dans la Grèce qu’ont été élevés les plus beaux édifices de l’antiquité, et que c’est là qu’il faut aller chercher les modèles les plus élégants et les plus purs de l’ancienne architecture» (Stuart; Revett 1808, S. 7).

Die antiken Bauwerke sollten als Inspirationsquelle für die Architektur der Gegenwart dienen:

«Les ruines des édifices de l’ancienne Rome ont fixé depuis longtemps l’attention de ceux qui se livrent à l’étude de l’Architecture : on les a généralement regardées comme présentant à la fois les véritables règles à suivre et les meilleurs modèles à imiter dans toute construction ornée et régulière. […] Rome ne fut, sous ce rapport, que son disciple, et qu’ainsi l’on a lieu de présumer que les plus beaux édifices qui ont décoré cette capitale du monde, ne furent que des imitations de ceux que l’on admirait dans la Grèce» (Stuart; Revett 1808, S. 1).

Turm der Winde nach Stuart und Revett
Abb. 1: Turm der Winde in Athen nach Stuart und Revett (Stuart; Revett 1808, nach S. 46)

Der Turm der Winde wird nur in wenigen aus der Antike überlieferten Texten beschrieben und auch diese beschreiben ihn nicht detailliert (Kienast 2014, S. 1). Stuart und Revett übertrafen die bis dahin existierenden Beschreibungen an Genauigkeit und Ausführlichkeit. Sie erstellten «einen Grundriss, eine Ansicht sowie einen Querschnitt» des Gebäudes, im Weiteren zeichneten sie «Details des Wandaufbaus und des Daches», «Profile der Eingangsbauten, der Tür und der beiden Geisa im Innern sowie Einzelheiten der Säulen unter dem Dach» (Kienast 2014, S. 9). Zeichnungen und Beschreibungen von anderen zeitgenössischen Architekten wie Julien-David Le Roy oder Sebastian Ittar erreichten bei Weitem nicht das gleiche Niveau (Kienast 2014, 12-13).

Grundriss vom Turm der Winde nach Stuart und Revett
Abb. 2: Grundriss des Turms nach Stuart und Revett (Stuart; Revett 1808, nach S. 46)

Nach der Veröffentlichung von «Les antiquités d’Athènes» wurde der Turm der Winde zum Vorbild von zahlreichen Neubauten des 18. und 19. Jahrhunderts:

«Getragen vom Geist des Klassizismus, beseelt von der Vorstellung, dass die Antike Werte und Formen hervorgebracht habe, deren Nachahmung allein schon die richtige Lösung garantiere, fand ihre Formenwelt auch Eingang in das zeitgenössische Architekturschaffen. Zur Nachahmung des Turms führte wohl weniger diese prinzipielle Idealisierung, in seinem Falle dürfte es eher die extravagante Form seines Baukörpers gewesen sein, die zur Wiederholung reizte. So spärlich die Rezeption in der Antike selbst blieb, so vielfältig zeigt sie sich in der Neuzeit (Kienast 2014, S. 161).

Teilweise wurde der Turm des Andronikos als achteckiger Turm nachgebaut, wie zum Beispiel beim Napoleonsturm in Mildensee bei Dessau. Diesen liess Fürst Leopold III. Friedrich Franz (1740-1817) zwischen 1806 und 1812 durch den Architekten Carlo Ignazio Pozzi (1766-1842) als Grabmal erbauen (Kienast 2014, S. 163). Bei anderen Gebäuden wurde er in das Gebäude integriert wie beim Radcliffe Observatory in Oxoford (Kienast 2014, S. 166).

Literatur:

Kienast, Hermann J. (2014): Der Turm der Winde in Athen. Wiesbaden: Reichert Verlag.

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