Sammlung 3D – ein Teleskop mit zwei Spiegeln

Das Spiegelteleskop gehört zur Sammlung Sternwarte. Angelegt wurde diese von Rudolf Wolf (1816-1893). Er war Astronomieprofessor, Leiter der Semper-Sternwarte, Direktor der Bibliothek des Polytechnikums (heute ETH) und Sammler astronomischer Instrumente. Für seine Sammlung erstellte er 1873 ein Inventar. Diesem ist zu entnehmen, dass das Spiegelteleskop als Geschenk von Emil Kern in die Sammlung gelangte.

Der Weg in die Sammlung

In einem Brief an Rudolf Wolf aus dem Jahr 1889 schreibt Emil Kern, einer der Söhne des Begründers der Firma Kern & Co., Aarau, «[i]ch weiss, dass sie ein reger Sammler sind und erlaube mir deshalb ihnen beigeschlossen die Abzüge einiger Instrumenten[figuren?] zu übersenden, welche ich letztes Jahr habe anfertigen lassen.»1 Dieser Brief sowie die weiteren Dokumente werden heute im Hochschularchiv der ETH aufbewahrt.

Dem Brief sind mehrere Zeichnungen von Instrumenten beigelegt, darunter auch eine vom Spiegelteleskop. Über das Spiegelteleskop, das Emil Kern an Rudolf Wolf schenkte, steht in den überlieferten Briefen leider nichts.

Beilage zum Brief von Emil Kern an Rudolf Wolf, 19.01.1889,
ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 368a:6.

Die Erfindung des Spiegelteleskops

Die Erfindung des Fernrohrs im 17. Jahrhundert markiert einen Wendepunkt in der Astronomie: Auch wenn die ersten Fernrohre nur geringe Vergrösserungen lieferten, führten sie zu neuen Erkenntnissen. Kurz nach der Erfindung des Fernrohrs 1609 wurden bereits Spiegelteleskope erfunden.2

Der grundlegende Unterschied zwischen Fernrohren und Spiegelteleskopen liegt in der Optik.3 Erstere besitzen Sammellinsen, letztere Hohllinsen. Deren Vorteil liegt darin, dass sie keine Farbfehler aufweisen, wie es bei Sammellinsen der Fall ist. Bereits 1616 gab es schon erste Bemühungen, Hohlspiegel zu verwenden; verschiedene Wissenschaftler versuchten Spiegelteleskope herzustellen. So auch der schottische Mathematiker James Gregory. Er baute 1660 sein erstes Spiegelteleskop und veröffentlichte es nur drei Jahre später, 1663, in seiner Schrift Optica promota.4 Neu an Gregorys Spiegelteleskop war die Einführung eines Gegenspiegels, auch Fang – oder Sekundärspiegel genannt. Im 3D-Modell ist dieser unter der dritten Annotation beschrieben.

Bei Spiegelteleskopen nach Gregory sieht man ein aufrechtes Bild, ähnlich wie bei Erdfernrohren. Der Grund liegt im Gegenspiegel. Dieser hat eine Umkehrfunktion: Der Hauptspiegel reflektiert das Licht und erzeugt ein reelles Bild. Das Licht nach der Reflektion fällt auf den Gegenspiegel und erzeugt wieder ein reelles Bild, welches mit dem Okular durch die Öffnung im Hohlspiegel betrachtet werden kann.5

Gregorys Hauptleistung bestand in der theoretischen Arbeit, so dass er für den Bau von Spiegelteleskopen auf Instrumentenbauer und Optiker angewiesen war. Da er selbst mit der Arbeit der besten Londoner Optiker nicht zufrieden war, gab er sein Vorhaben aber offenbar auf. Er starb 1675 im Alter von 36 Jahren. Nur ein Jahr zuvor war es Robert Hooke gelungen, ein Spiegelteleskop zu bauen. Gregorys Arbeit war höchstwahrscheinlich auch für Isaac Newton von grosser Bedeutung, der sich ab 1668 ebenfalls mit Spiegelteleskopen beschäftigte. So schrieb Newton in der Verteidigung seines Spiegelteleskops, dass er Gregorys Optica promota gekannt habe.6 Spiegelteleskope nach James Gregory wurden vor allem im 18. Jahrhundert gebaut.

Der Hersteller Jan van der Bildt

Das hier gezeigte Spiegelteleskop nach Gregory wurde von Jan van der Bildt gebaut. Er gilt als bekannter Hersteller von Spiegelteleskopen in Franeker (Provinz Friesland). Eine Anekdote erzählt, dass van der Bildt, bevor er 1755 eines seiner Teleskope testete, einen jungen Arzt traf, der auf dem Weg zum Bürgermeister war. Der Bürgermeister wohnte etwas ausserhalb der Stadt. Einige Tage später trafen sich der junge Arzt und van der Bildt wieder. Auf die Frage, wie der Test mit dem Teleskop verlaufen sei, antwortet van der Bildt, dass er weit über die Stadt hinaus sehen könne und dass der Arzt doch bei seinem nächsten Besuch bei der Frau des Bürgermeisters besser die Vorhänge zuziehen solle.7

3D-Digitalisierung

Objektauswahl
Das Spiegelteleskop ist ein zentrales Objekt für die Astronomie und zeigt zugleich auch die Entwicklungen in den Wissenschaften. Ein weiteres Spiegelteleskop aus der Sammlung ist in der Dauerausstellung  «Den Himmel erforschen – Ein Blick in die Sammlung von Rudolf Wolf» in der Semper-Sternwarte zu sehen. Da sich die Objekte in ihrer Funktionsweise und ihrem Aussehen sehr ähneln, kann das 3D-Modell auch für die Vermittlung in der Ausstellung genutzt werden.

3D-Digitalisierung
Für die photogrammetrischen Aufnahmen wurde dieses Spiegelteleskop auf einen grossen Drehtisch gestellt. Diesen hat ikonaut selbst hergestellt. Auch die C-35, das grosse Flugzeugmodell, wurde so aufgenommen. Das Spiegelteleskop ist stark reflektierend und entsprechend schwierig zu erfassen. Die inneren Strukturen des Teleskops wurden manuell angepasst, die animierten Elemente manuell modelliert.

1. Kern und Compagnie AG, Aarau, an Rudolf Wolf (1816-1893), Brief von Emil Kern an Rudolf Wolf, 19.01.1889, ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 368a:6, S. 1.
2. Vgl. Gehrke, Stefanie: Astronomische und astrologische Instrumente, in: Christian Heitzmann (Hg.): Die Sterne lügen nicht. Astrologie und Astronomie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Wiesbaden 2008, S. 251-254.
3. Sofern nicht anderes angegeben, bezieht sich der Abschnitt über das Spiegelteleskop auf: Riekher, Rolf: Fernrohre und ihre Meister, Berlin 1990, S. 88- 101.
4. Ein Scan des Werkes ist bei der Bibliothèque nationale de France einzusehen: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k62397q/f132.planchecontact/
5. Vgl. Riekher, S. 93.
6. Vgl. Riekher, S. 92.

Metadaten

Bezeichnung:
Gregory'sches Spiegelteleskop
Inventarnummer:
KGS_265
Datierung:
1730-1790
Masse:
Aufgestellt 68 cm x 73 cm x 30 cm, Fernrohr 76.5 cm
Material:
Messing
Modellierer:
ikonaut
Verfahren:
Photogrammetrie
Software:
Agisoft Metashape, Cinema 4D, 3D-Coat

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