Eduard Schewardnadse, ehemaliger Aussenminister der Sowjetunion und erster Präsident Georgiens, brachte die Idee einer Eurasischen Brücke alias “Neue Seidenstrasse” 1990 an der Ost-West-Konferenz in Wladiwostock erstmals vor. Die nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig gewordenen Republiken im Kaukasus und Asien sollten an das westliche Wirtschafts- und Verkehrssystem angeschlossen werden.
Ausschnitt aus der Karte: “Oil and Gas Map of Western, Central and Eastern Europe”. Herausgegeben von Petroleum Economist, London 2002. (K 685407)
Bei dem Projekt der “Neuen Seidenstrasse” ging es nicht um eine Wiederbelebung des historischen Fernhandels zwischen Europa und Asien, sondern primär um die Anbindung der mittelasiatischen Erdöl- und Erdgasfelder an Westeuropa und China (siehe Karte). 1993 riefen tatsächlich acht Staaten der ehemaligen Sowjetunion zusammen mit der EU das Projekt “Transport Corridor Europe Central Asia” (TRACECA) ins Leben. Das Projekt sieht Strassen, Häfen und Bahnlinien vor, die die Staaten im Kaukasus und Zentralasien von den bestehenden Transportwegen in Russland und dem Iran unabhängig machen sollen. Ende 1990er-Jahre traten dem Projekt weitere Länder bei, wie zum Beispiel die Ukraine, die Mongolei, Bulgarien, Rumänien und die Türkei. Mit EU-Hilfe und internationalem Kapital wird laufend die Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur der TRACECA-Länder ausgebaut.
Das Projekt “Neue Seidenstrasse” ist also der Übername für viele Teilprojekte der TRACECA. Die EU und auch die USA investieren jährlich Millionen in technische Hilfe und neue Bauprojekte für Bahnen, Häfen und Strassen. Der Nutzen einer solchen neuen Handelsstrecke für die Europäische Union ist bedeutend. Einerseits verringert sich die Transport-Strecke um 2000 km, andererseits verkleinert es die europäische Abhängigkeit von russischem Gas und Erdöl.
Die Verhandlungen für neue Handelswege südlich von Russland sind aber nicht ohne Hindernisse. Russland ist immer noch der Haupthandelspartner für die ehemaligen sowjetischen Republiken, dominiert den Eisenbahnsektor und kontrolliert durch das Abkommen der gegenseitigen Sicherheitsgarantie die Republiken militärisch. Das Projekt der “Neuen Seidenstrasse” kann somit nur unter Einbeziehung Russlands in die weiteren Verhandlungen vorangetrieben werden.
Die Informationen beruhen weitgehend auf Cornelsens “Aktueller Landkarte” (7/2001), die ebenfalls wie die obige Karte in der Kartensammlung der ETH-Bibliothek zu finden und im Lesesaal der Spezialsammlungen einsehbar ist.