In den Reisetagebüchern von Arnold Heim gibt es viel zu entdecken: von Bildern, Zeichnungen, Landkarten, getrockneten Pflanzen bis hin zu einer toten Sandmücke.
Im Reisetagebuch mit Titel «Sumatra II. 1838. Borneo» findet sich auf der Seite 5 unter einem braunen Klebstreifen die winzige «Zwergfliege» (auch: Sandmücke). Neben dem Insekt notiert Heim, dass sie 0.75 mm klein sei. Wie ist sie aber nur hier reingekommen? Im darunter folgenden Tagebucheintrag vom 30. Mai 1938, den Heim im Dorf Nama Boeaja verfasst hat, findet sich eine mögliche Erklärung:
615 Abfahrt flussaufwärts. Noch nie haben wir einem so langweiligen Fluss die Zeit verloren. Nicht nur macht er hunderte von Schleifen, so dass man dem Gebirgsrand kaum näher kommt, sondern es sind gar keine Aufschlüsse vorhanden, ausser hie + da die blauen nicht messbaren Tone des Pliocaen od. Quartär. Moskitenplage über Nacht, und hier im Dorf Nama Boeaja, wo wir 12h eintreffen, massenhaft Agas-agas, die einen fast nicht schreiben lassen. Der Dorfhäuptling wird gesucht. Wir haben eine offene Hütte für die Kulis + eine geschlossene mit Erdraum für uns zur Verfügung. Gleichzeitig wird nach einer kleineren Prau gesucht. Aber seit Ankunft regnet es wieder. – Unterwegs, wohl an einem Baum abgestreift, wandelt auf d. Schiffraum ein „lebendes Blatt“ Mimikri mit Flügeln wie ein abgedorrte Blatt, sonst wie ein gewöhnlicher „Gottesanbeter“, ca 10cm lang. An einer Stelle Elefantentritte am Ufer, frisch. Hütten Pfahlbau. Bei Banjir (Hochwasser) scheint die Ebene überschwemmt zu werden, 2-4m über d. jetzigen Flussniveau Später schaue ich mit Lupe einen 1,3mm langen schwarzem Agas zu, wie es mich sticht. Giftstachel ca 0,2mm lang, macht Schwielen.
(ETH-Bibliothek, Hochschularchiv der ETH Zürich, Hs 494:266, Seite 5.)
Nachdem Heim das 1.3 mm kleine Tierchen beobachtet hatte, wurde sie vom ihm wohl totgeschlagen. Die Zwergfliege nennt er im Tagebuch auch «Agas-agas». Eine kurze Recherche ergibt, dass es sich hierbei um sogenannte Sandmücken handelt. Der Stich einer Agas löst Juckreiz und Hautrötung aus. Sie erscheinen zudem nur zu bestimmten Tageszeiten und sind bei bestimmten Wetterverhältnissen besonders aggressiv. Viele Arten bleiben nachts inaktiv und sind in ihrer Bewegung relativ langsam.

Der «langweilige» Fluss (Mai 1938), ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hs_0494b-0066-051-AL
Es bleibt für Arnold Heim übrigens nicht bei der einzigen Begegnung mit den Agas-agas. Immer wieder klagt er von unzähligen juckenden Stichen, die ihm sogar nachts den Schlaf rauben. Im Tagebuch «Russland 1937. 1838 Sumatra» widmet er den Plagegeistern gar eine Zeichnung.
ETH-Bibliothek Zürich, Hochschularchiv der ETH Zürich, Hs 494:265, Seite 41, Zeichnung der Agas-agas.
Neben seiner Zeichnung notiert Arnold Heim weitere Details zu ihnen minutiös:
Agas-agas
Stechfliege
grosses Weibchen
Kl. Männchen nur 1.2 mm lang.
0.6 mm [hoch]
2.7mm [breit]
2 Flügel so gross wie Körper in vert. Projection
Summton à = 435 Schwingungen
(ETH-Bibliothek, Hochschularchiv der ETH Zürich, Hs 494:265, Seite 41.)
Sandmücken legen ihre Eier gerne in feuchten, aber nicht zwangsläufig im Wasser liegenden Gebieten ab. Es ist also nicht verwunderlich, dass Heim bei dieser Reise entlang der Flüsse auf der Insel Sumatra wegen der Agas-agas kaum zur Ruhe kommt.

Das Haus, in dem Arnold Heim die Agas gezeichnet hat (20. Mai 1938), ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hs_0494b-0066-039-AL