Die indonesische Insel Bali gilt heute als Inbegriff eines “tropischen Paradieses”, die bei Backpacker:innen, Digital Nomads und Luxusurlauber:innen gleichermassen beliebt ist. Doch die Insel war bereits einige Jahrzehnte zuvor eine beliebte Reisedestination. Schon 1939 besuchte der Schweizer Geologe und Naturforscher Arnold Heim Bali und hielt seine Eindrücke in Reisetagebüchern fest.
Ein Blick in die Geschichte Balis
Bali, eine der über 17.000 Inseln Indonesiens, hat eine aussergewöhnliche kulturelle und religiöse Geschichte. Schon seit dem 1. Jahrhundert nach Christus wurde die Insel vom Hinduismus geprägt, der durch Handelsbeziehungen mit Indien seinen Weg nach Südostasien fand. Bis heute ist Bali das einzige überwiegend hinduistische Gebiet im muslimisch geprägten Indonesien – etwa 87 % der balinesischen Bevölkerung bekennen sich zum Balinesischen Hinduismus.
Im 14. Jahrhundert wurde Bali in das Majapahit-Reich eingegliedert, ein mächtiges hindu-javanisches Königreich. Nach dessen Zerfall um 1527 wurde Bali zu einem Zufluchtsort für hinduistische Künstler:innen, Intellektuelle und Priester, die durch den Islam von der Insel Java verdrängt wurden. In dieser Zeit entwickelte sich die eigenständige balinesische Kultur, welche heute für ihre Tänze, Musik und Tempelarchitektur bekannt ist.
Im 19. Jahrhundert geriet Bali unter niederländische Kolonialherrschaft, was mit kriegerischen Eroberungen verbunden war. Sie dauerte bis 1942 an. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Bali 1949 Teil der unabhängigen Republik Indonesien.
Arnold Heim auf Bali
Der internationale Tourismus begann schon in den 1920er Jahren, als besonders europäische Künstler:innen Bali entdeckten und in Europa romantisierten und populär machten. Auch Arnold Heim besuchte im Januar 1939 die Insel. Bei seiner Anreise von Surabaya nach Bali am 18. Januar schreibt er:
«Wenn sich das Wetter nicht ändert, ist meine ganze Bali-Tour zunichte. Das Schiff füllt sich mit Bali-Touristen. Obwohl vielleicht der Bali-boom vorüber ist, ist diese Insel mit ihren liebenswürdigen Heiden (-Mission verboten wegen Streitigkeiten zw. kathol. und protest.) die grösste Attraktion der Weltenbummler, bes. der Amerikaner «Freudenindustrie»!»
(ETH-Bibliothek, Hochschularchiv der ETH Zürich, Hs 494:267, Eintrag vom 18.01.1939, Bali)
Doch schon am nächsten Tag schlägt seine Stimmung um – die Begeisterung ist greifbar: «Wie fein – ich habe 2 ganze Tage für das Wunderland Bali!» Nach der Ankunft auf der Insel mietet er mit seinem Begleiter Jonges Soewito für den gesamten Aufenthalt ein Taxi. Damit geht es die Windungen steil hinauf zum Bratan-Kratersee, ihrem ersten Ausflugsziel entgegen.
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hs_0494b-0067-051-AL, Bali, Bratan
Besonders beeindruckt zeigt er sich von der Landschaft – insbesondere von den Reisterrassen, die bis heute Besucher:innen in Staunen versetzen: «Diese Reislandschaft übertrifft selbst alles, was ich auf Java gesehen.»
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hs_0494b-0067-078-AL
Doch Heim interessiert sich nicht nur für Natur und Geologie. Seine Tagebuchaufzeichnungen zeigen ein ethnografisches Interesse. Er beschreibt Tempel, Tanzvorführungen und die Kunst der Balines:innen – aber auch ihre Lebensweise. In seinen Worten klingt Bewunderung an, aber auch eine Perspektive, die von kolonialen Vorstellungen geprägt ist. So hält er in seinem Tagebuch weiter fest: «Ich komme gerade noch zur Zeit und bin in Papua vielleicht schon zu spät, um noch unabhängige Menschen kennenzulernen.» Denn «Alkohol und Kleider kommen überall mit Zivilisation und Mission». Seine Gedanken münden in einer Haltung, die sich in seinem 1942 erschienenen Buch Weltbild eines Naturforschers vertieft. Darin bemängelt er das Verhalten der Europäer:innen gegenüber aussereuropäischen Gesellschaften. Seine Kritik am Imperialismus war jedoch von einer Weltanschauung, die sogenannte «Lebensreform» inspiriert, die ebenfalls vom Kolonialismus geprägt war. Die Anhänger:innen der Lebensreform waren getrieben davon, eine von der technisch-industriellen Zivilisation unberührte, unverfälschte Welt zu finden, die sie als «natürlich, gesund, ursprünglich und authentisch» empfanden. Die Balines:innen sah er damit als «primitive Naturvölker». Deshalb bewunderte Heim ihre Lebensweise als Alternative zur westlichen Zivilisation und vertrat die Meinung, dass sie vor der Moderne geschützt werden sollten.
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hs_0494b-0067-068-AL, Bali, Pura Kehen
Am zweiten Tag besucht er weitere Tempelanlagen, Vulkane und Dörfer. Beim Bangli-Markt möchte er Frauen mit schweren Lasten auf dem Kopf fotografieren und notiert in seinem Tagebuch: «Ich hoffe, dass mir einige phot. Schüsse gelungen sind. Hie & da ein wundervolles Gesicht; aber die meisten weichen dem Phot. aus.»
Während seines Aufenthalts trifft Heim auch auf Landsleute wie den Schweizer Theo Meyer, der sich auf der Insel niedergelassen hat. Am 21. Januar 1939 setzt Heim seine Reise fort – weiter nach Lombok.
ETH-Bibliothek, Hochschularchiv der ETH Zürich, Hs 494:267, Reiseroute
Bali heute
Was für Heim 1939 noch wie das Ende eines touristischen Booms wirkte, war in Wahrheit erst der Anfang. In den 1970ern kam mit dem Bau eines internationalen Flughafens der Massentourismus – vor allem Australier:innen, später Europäer:innen und Chines:innen, entdeckten die Insel. Heute ist Bali mit Städten wie Ubud, Seminyak und Canggu ein weltberühmtes Reiseziel.
Laut Statistik kommen jährlich über 6 Millionen ausländische Tourist:innen nach Bali. Der Tourismus ist heute damit der wichtigste Wirtschaftszweig der Insel, bringt aber auch Herausforderungen wie Müllberge, Wasserknappheit und Massentourismus mit sich.