Neben Manuskripten, Briefen, Fotos und Zeitungsartikeln befinden sich im Max Frisch-Archiv an der ETH-Bibliothek mehrere Dutzend Gegenstände aus dem Nachlass des Schriftstellers und Architekten. Was erzählen die Objekte über Frischs Verhältnis zur Realität des Lebens, zur Gesellschaft und zur Politik?
«Die Ges[t]altung des Lebens beginnt bei den kleinsten Dingen», schrieb Max Frisch am 1. Oktober 1941 an seinen Bruder Franz Frisch. Für diesen entwarf er als ausgebildeter Architekt damals ein Haus in Arlesheim bei Basel. Aber auch seine eigenen Wohn- und Arbeitsräume richtete Frisch sehr bewusst ein – ob eher sachlich-nüchtern im Zürcher Lochergut oder rustikal-gemütlich in seinem Haus in Berzona.
Max Frischs Haus in Berzona, ca. 1980, Foto: Endrik Lerch
Die Welt, die Frisch in seinen Texten literarisch verarbeitete, galt es zuerst zu erfahren und aufzuzeichnen. Zeitlebens schulte er seine Wahrnehmung. Hatte er sich in jungen Jahren auf Reisen bemüht, visuelle Eindrücke mit dem Pinsel festzuhalten, so gelang das später mit den Zeichnungsmaterialien des Architekten: «Ich sehe doch sehr viel mehr, seit ich Architekt bin», «sehr glücklich», heisst es in Frischs Notizbuch, das ihn im Herbst 1947 auf einer Reise nach Florenz begleitete. Später erlaubte ihm eine Handkamera, auch Bewegung einzufangen.
Max Frisch, Ölbild «Ragusa», 1933 / Filmkamera Super 8, Agfa Microflex 200 aus dem Nachlass von Max Frisch, Fotos: Stephan Bösch
Gedankliche Eindrücke notierte Frisch oft handschriftlich, zumal, wenn er unterwegs war. Wenn jedoch der Protagonist im Roman Homo faber (1957) auf eine Reise-Schreibmaschine nicht verzichten will, hat das ein Vorbild in Frischs eigenem Arbeitsprozess: Frisch selbst schrieb vorzugsweise mit der mechanischen Maschine.
Die Schreibmaschine Hermes 3000 benutzte Frisch während der Jahre 1980–1983 in New York. Foto: Stephan Bösch
Literarisch experimentierte Frisch immer wieder mit dem Arrangement von Figuren. In Mein Name sei Gantenbein (1964) probiert ein Ich-Erzähler verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Geschichten an. In Biografie: Ein Spiel (1967) werden auf der Bühne mehrere Varianten einer Lebensgeschichte durchgespielt. Mit Figuren in jedem Wortsinn, mit Marionetten, hatte er sich bereits im älteren Tagebuch mit Marion (1947) beschäftigt.
Und Anfang der 1970er-Jahre fertigte Peter Bissegger, Bühnenbildner beim Tessiner Fernsehen, dann eine Reihe von realen Puppen für Frisch an. In Berzona durften sie an seinem Steintisch sitzen.
Puppen am Steintisch in Berzona, 1984, Foto: vermutlich Max Frisch
Persönliche Dinge wie Frischs allgegenwärtige Tabakpfeife wurden im Lauf seiner Karriere von Alltagsgegenständen zu unentbehrlichen Zeichen seiner öffentlichen Persona. Zur Korrektur seiner Sehschärfe benötigte Frisch seit der Jugend eine Brille, sie war im Alltag eine Notwendigkeit. War ihr Stil einmal gefunden, so wurde sie zugleich zum Markenzeichen. Sie wies sie ihn als Intellektuellen aus und verlieh seinem Gesicht auf Bildern den markanten Erkennungswert.
Karikatur von Max Frisch, 1972, gezeichnet von Hans Ulrich Steger für den Nebelspalter
Die neue Ausstellung «Max Frischs Dinge» im ETH-Hauptgebäude (Lesesaal Sammlungen und Archive) schlägt einen Bogen von der persönlichen Schreib-Umgebung des Autors bis zu Objekten, in denen sich sein Nachleben als «Schweizer Klassiker» manifestiert.
Beitragsbild: Tabakpfeife von Max Frisch, Foto: Stephan Bösch