1852 entwickelte Ludwig Werder (1808-1885) eine Universalmaschine, mit der die Festigkeit von Baustoffen durch Zusammenpressen, Auseinanderziehen, Verdrehen und Biegen geprüft und gemessen werden konnte. Die Vielseitigkeit und die Qualität der Messergebnisse dieser Maschine überzeugten auch die Professoren der Ingenieurwissenschaften, des Maschinenbaus und der Geologie am 1855 gegründeten Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, die 1856 einen Kreditantrag für die Erwerbung einer solchen «Festigkeitsmaschine» zu Forschungs- und Übungszwecken stellten.
Das Kreditbegehren wurde abgelehnt. Zehn Jahre später war ein erneuter Vorstoss von Prof. Karl Culmann (1821-1881) zusammen mit mehreren Direktoren von Eisenbahngesellschaften beim Bundesrat erfolgreich. Mit dem bewilligten Kredit wurde bei Werders Firma Klett & Co. eine «Festigkeitsmaschine» bestellt und in einer ständigen Ausstellung von Baumaterialien in Olten aufgestellt. Mit Hilfe der Messergebnisse der Werderschen Maschine sollte der Ausstellungskatalog um Informationen über die physikalischen Eigenschaften und die Belastbarkeit der gesammelten Baumaterialien ergänzt werden. Ausserdem konnte die «Festigkeitsmaschine» gegen Zahlung einer geringen Gebühr, die zur Deckung der Betriebs- und Reinigungskosten diente, der Baubranche zur Verfügung gestellt werden.

Nach einem Artikel in der schweizerischen Wochenzeitschrift «Die Eisenbahn» vom 2. Juli 1875 wurde die «Festigkeitsmaschine» 1869 abgebaut und in die Maschinenwerkstätten der Nordostbahn verbracht, wo man sich offenbar ihres Nutzens zu wenig bewusst war, denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels war die Werdersche Maschine noch nicht wieder aufgebaut und in Betrieb genommen worden. Der Artikel schliesst sodann mit einem Appell.
[…] da aber mit der Aufstellung der Maschine allein gar nichts erreicht ist, so ersuchen wir sämtliche Architekten, Ingenieure und Mechaniker, welche sich für die Sache interessieren, sich bei der Redaction der Eisenbahn anzumelden, mit Angabe der Materialien, die sie zu probieren wünschen, worauf wir entsprechende Schritte thun werden.
Die Bemühungen um eine Reaktivierung der Werderschen Maschine wurden im folgenden Jahr anlässlich einer Sitzung des Technischen Vereins in Winterthur fortgesetzt, wo 1876 ein Vortrag über die Vorgeschichte und den Wert der «eidgenössischen Festigkeitsmaschine» gehalten wurde. Der Referent wies auch darauf hin, dass Baustoffprüfungen von Schweizer Firmen seit Jahren in München durchgeführt werden müssten, obwohl in Zürich eine Maschine gleicher Art zur Verfügung stehe.
Die Kampagne zeigte Wirkung. Auf Antrag der Zürcher Sektion des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins wurde die Maschine 1877 provisorisch in der Pumpstation des Zürcher Wasserwerks aufgestellt und wieder in Betrieb genommen. 1879 erhielt die Maschine ein eigenes Gebäude. Dieser sogenannte Pavillon stand auf dem Gelände der Nordostbahn. Der Standort war allerdings nicht besonders günstig, da Gas- und Wasseranschlüsse fehlten und Erschütterungen durch den nahen Bahnverkehr die Messungen verfälschten.

War vier Jahre zuvor im oben genannten Zeitschriftenartikel noch konstatiert worden, dass «eine Aufstellung der Maschine im Polytechnikum […] gar keinen Werth» hätten, wird nun die «eidgenössische Festigkeitsmaschine» in den Hochschulbetrieb eingebettet. Als sie 1879 im Pavillon den Betrieb wieder aufnimmt, wird sie dem 29-jährigen Ludwig Tetmajer, ausserordentlicher Professor an der Bau- und Ingenieurschule des Polytechnikums, anvertraut. In der Sitzung vom 4. August 1879 beschliesst der Schweizerische Schulrat des Eidgenössischen Polytechnikums:
1. Sei die Leitung der Versuche mit der Festigkeitsmaschine, verbunden mit allen hiebei nöthigen Arbeiten (Protokollführung, Korrespondenzen, Rechnungswesen etc.) unter Oberaufsicht des Herrn Professor Culmann Herrn Professor Tetmajer übertragen […].
2. Sei Herrn Prof. Tetmajer bewilligt, anschliessend an die Versuche mit der Festigkeitsmaschine u. im Interesse der Verwerthung der daherigen Resultate für den Unterricht, jeweilen ein entsprechendes Kolleg zu lesen, welches als empfohlenes Freifach im III. Jahreskurse der Bau- & Ingenieurschule aufzuführen ist.
3. Sei die bestehende Baumaterialiensammlung der Direction des Herr Tetmajer unterstellt u behufs deren Vervollständigung durch die Versuchsstücke usw. ein Kredit von 200 frk jährlich aus dem Budget der Festigkeitsmaschine ausgesetzt.
Dienten die Resultate der «Festigkeitsmaschine» zuvor direkt den jeweiligen Bauvorhaben, flossen die Erkenntnisse aus den Tests künftig systematischer in Forschung und Lehre ein.
Die Gründung der Empa
Ist im Schulratsprotokoll von 1879 noch immer bloss von der «Leitung der Versuche mit der Festigkeitsmaschine» die Rede, beschliesst die Bundesversammlung am 16. April 1880 den «regelmässigen Betrieb der eidgenössischen Anstalt zur Prüfung der Festigkeit von Baumaterialien (Festigkeitsprüfungsmaschine)». Damit ist die spätere Empa offiziell gegründet.
Per 1880 wird Tetmajer provisorisch und 1881 offiziell zum «Vorstande der eidg. Festigkeitsanstalt» gewählt. Bis 1895 ist «Festigkeitsanstalt» zumindest innerhalb des Polytechnikums die gebräuchliche Bezeichnung für die Anstalt. Der später gebräuchliche Name Eidgenössische Materialprüfungsanstalt wurde erstmals im Jahresbericht von 1895 verwendet.

1883 nutzte Tetmajer die Landesausstellung in Zürich, um den Gerätepark für die Materialprüfung von natürlichen und künstlichen Bausteinen, Bindemitteln und Zement zu erweitern und der Öffentlichkeit die Tätigkeit und den Wert der Materialprüfungsanstalt zu zeigen. Dadurch wurde es im Pavillon zu eng und Tetmajer konnte mit den neuen Geräten in ein Provisorium im Hauptgebäude des Polytechnikums ziehen. Die Werdersche Maschine blieb jedoch vorerst im Pavillon, sodass die Arbeiten an zwei Orten durchgeführt werden mussten. Mit der zunehmenden Bedeutung der Festigkeitsprüfungen für die schweizerische Wirtschaft erkannte der Bundesrat die Notwendigkeit einer dauerhaften Lösung. 1891 erhielt die Anstalt an der Leonhardstrasse ein eigenes Institutsgebäude mit Werkstätten, Laboratorien, Hörsaal und Büros. Die Werdersche Maschine durfte natürlich nicht fehlen. Sie wurde im grossen Maschinensaal aufgestellt.
Landesausstellungs-Ausgabe von 1896 der Mitteilungen der Materialprüfungs-Anstalt am schweiz. Polytechnikum in Zürich, V. Heft. Bericht über den Neubau, die Einrichtung und die Betriebsverhältnisse der schweizer. Materialprüfungs-Anstalt. Von Prof. L. Tetmajer Direktor der Materialprüfungs-Anstalt am schweiz. Polytechnikum (ETH-Bibliothek, Hochschularchiv EMPA-DUE 00023)
Was als Einmannbetrieb begann, entwickelte sich unter Tetmajers Leitung zu einer Institution mit internationaler Ausstrahlung. Die Zahl der Materialprüfungen stieg von 525 im Jahr 1880 auf 13’522 im Jahr 1888 und 44’091 im Jahr 1899. 1895 wird in Zürich der «Internationale Verband für die Materialprüfungen der Technik» gegründet und Tetmajer zum ersten Verbandspräsidenten gewählt.
1901 verliess Tetmajer die Empa und folgte einem Ruf an die Technische Hochschule in Wien. Die Leitung der Materialprüfungsanstalt übergab er an François Schüle (1860–1925).

Das Hochschularchiv der ETH Zürich hat 2024 die bereits verzeichneten Unterlagen des Empa-Archivs übernommen. Forschende und Interessierte können diese im Virtuellen Lesesaal des Hochschularchivs recherchieren und im Lesesaal Sammlungen und Archive im Hauptgebäude der ETH Zürich zur Einsichtnahme einsehen.
Literaturhinweise
Burri Monika: Die wissenschaftliche Materialprüfung. Institutionalisierung einer neuen Disziplin, in: M. Burri, A. Westermann (Hg.): ETHistory 1855-2005., Sightseeing durch 150 Jahre ETH Zürich. S. 67-71.
Weinmann, Karin u. a. Viel mehr als Materialien: eine kurze Geschichte der Empa. Dübendorf, 2020.
Zielinski, Jan, «Ludwig von Tetmajer Przerwa», in Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik 66, 1995.