Goldsplitter, zwischen Kieselsteine gespült und im Grien verborgen, waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Umiken bei Brugg das Goldwaschen wert. Die Goldplättchen und Stäubchen waren auf einer Kiesinsel im Flusslauf der Aare zugänglich. Das interessierte auch im nahen Zürich und der geologisch versierte Paläontologe Casimir Mösch wurde für eine Recherche mit Bericht angefragt.
Verlockendes Glitzern
Goldsplitter wurden vermutlich seit eh und je an mündlich tradierten Stellen gesucht. Was einem ersten Goldwäscher aus dem kleinen Fleckchen Umiken am Flusslauf gelungen war, dürfte schnell Schule gemacht haben. Manch einer war bereit oder konnte nicht anders, als die strapaziösen Prozeduren am Wasser und die unwissentlich gesundheitlich bedenklichen Verfahren danach mit der Hoffnung auf viel Gewinn zu vergolden und auf Risiko zu gehen.
Prospektion
Die Aare schuf für die Gegend von Schachen bis Brugg in ihrem Lauf Arme und Inselchen, womit das dortige Sedimentmaterial für die Suche und Erkundung, die sog. Prospektion nach Gold gut erreichbar war. Zudem tritt das Wasser der Aare und ihrer Zuflüsse, u.a. aus dem Nagelfluhgebiet im Napf, beim Brugger Ortsteil Umiken in anstehendes Gestein ein. Gemäss der Beurteilung durch den Geologen Paul Niggli (1924) werden so schwerere Goldteilchen im dem nach einer Schwelle erreichten felsigen Untergrund sehr gut abgesetzt.
Es war 1859 die Aufgabe von Casimir Mösch, das bereits bekannte Vorkommen zu prüfen und bisherige Exploitationsmethoden näher zu beschreiben. Seine Erkenntnisse sandte er an Professor Arnold Escher, der am neu geschaffenen Polytechnikum in Zürich und an der Universität Geologie lehrte und an den Schwager Eschers, Bergrat Kaspar Stockar-Escher, der im Kanton Zürich das Bergbauregal unter sich hatte. Vielleicht ergänzten sich ja valable Vorkommen mit neuen Verfahren zur Ausbeute, entwickelt an der neuen Stätte für technische Wissenschaften? Im Sommer 1858 jedenfalls, so konnte Mösch recherchieren, erwirtschaftete ein Mann täglich zwei bis drei Franken Verdienst.
Einladung auf die Insel
Die Goldwäscher suchten ganz gewisse Stellen auf. Am besten war es also, sich ihnen anzuschliessen, um die Ausbeute mit eigenen Augen zu sehen. Mösch überzeugte einen “ruhigen jungen” Goldwäscher aus Umiken, sich von ihm begleiten zu lassen.
“Nachmittags zogen der Bursche und ich mit Ruder, Bank, Stuhl, Schaufel, etc. aus und waren um 2 Uhr nach Überschiffung eines Aarearmes auf der Insel zwischen Umiken & Willnachern.”
Abbau
Im Fall des Aare-Sediments musste Schaufel für Schaufel lockeres Geschiebe aus der Gewässersohle oder aus dem Uferbereich ausgehoben werden. Die zusammengetragene Menge Sand und Kieselsteine wurde anschliessend durchgespült und die Sandkörnchen weggeschwemmt. Die darin enthaltenen Goldflimmerchen konnten mit einem Tuch zurückgehalten werden. Das Prozedere war harte manuelle Arbeit, der 1859 nur eine kleine Anzahl Männer an drei Stühlen nachgingen. Wie Casimir Mösch vernommen hatte, waren jedoch zwischen 1834 und 1839 täglich 15 Stühle aufgestellt gewesen, die mit je zwei Personen besetzt gewesen waren, alle damit beschäftigt, dem Sand Gold zu entlocken.
Anderswo, etwa am Rhein, unter anderem in Knielingen, heute Stadtteil von Karlsruhe, war es scheinbar ebenfalls lohnenswert, der sehr geringen Konzentration Gold im Flusssand habhaft zu werden. Der Radierer und Zeichner Johann Volz erstellte dazu nach 1820 einen Stich, der offenbar bereits im Werk “Baden und seine Umgebungen in malerischen Ansichten” von Carl Ludwig Frommel, mit einer historisch-topographischen Beschreibung von Hofrat Alois Schreiber, in vier Lieferungen 1824-1827 erschienen, aufgenommen worden war. Ausgehend vom Stich dürfte später das farbige Aquarell entstanden sein, das heute als wikimedia verfügbar ist.
Das Verfahren in Karlsruhe wich vom im folgenden geschilderten Vorgehen nur leicht ab. Bemerkenswert ist jedoch, dass nicht nur Männer abgebildet sind, sondern dass sich auch Frauen um die Tücher kümmern, die zur erfolgreichen Goldgewinnung beitrugen. Zudem balanciert ein Mädchen einen gedeckten Korb und ist offenbar gerade angelangt, vermutlich als Essens-Kurierin.
Eiskaltes Wasser – sonnengelbe Verheissung
Casimir Mösch brachte seinen Bericht über das Goldwaschen in der Aare am 15. Januar 1859 zu Papier. Er war also während der kalten Wintermonate ausgezogen, die Ausrüstung eines Goldwäschers und das Vorgehen am Flussufer zu studieren. “Der Wäscher, welchem ich zusah”, schilderte Mösch sein Erlebnis, “wählte eine Stelle C, wo die Aare in sanften Bogen einfliesst” und begann das Gelände mit einer eisernen Wurfschaufel zu untersuchen. Es ging ihm offenbar darum, welche Zusammensetzung die Flusssohle unterhalb der Kiesel aufwies. Der Goldwäscher fand braunroten Sand, schwenkte die Schaufel einige Sekunden im laufenden Wasser, und beurteilte den Standort mit der Verlautbarung, “…wir seien an der richtigen Stelle. Er hob die Schaufel mit dem Sande aus dem Wasser und ich zählte mit blossem Auge ganz deutlich 14 Goldblättchen in diesem braunen Sande und auf der Schaufelfläche.”
Nach der Prüfung mit weiteren Schaufelstichen, wurde
“eine lange Bank (wurde) in das 2′ tiefe Wasser gestossen, um darauf stehend mit der Schaufel tiefer in die Aare reichen zu können.
Ein Waschstuhl mit 3 Füssen, 5′ lang 2′ breit beidseits mit Leisten versehen, wurde in eine schiefe Lage gebracht, ein grober Flanell glatt daraufgelegt, und ein grober Weidenkorb auf den obern Theil des Stuhles gelegt.
Nun begann die Arbeit, der Wäscher stach 2 bis 5 Schaufeln des bezeichneten Griens mit Sand auf den Korb, goss mit einer grossen Wasserschöpfe, so lange Wasser darüber bis aller Sand durchgewaschen, und nur noch die feinsten Körnchen auf dem Flanell zurückblieben, nach dem zehnten Schaufelwurf zählte ich mit blossem Auge auf dem Tuche bei 60 Flimmerchen…”
In der Folge wechselten sich das Schaufeln, Schöpfen und Auswaschen stetig ab und die goldgelbe Tönung des Stoffes nahm langsam zu. An jenem Besuchstag wurde allerdings das Goldwaschen wegen der grossen Kälte nach eineinhalbstündiger Arbeit beendet.
“Der Wäscher wusch nun den Flanell zum zweiten Mal in dem Zuber, schwemmte den Sand langsam weg und goss den rückständigen goldhaltigen Sand in ein Becken.”
Wie Casimir Mösch bei seiner Umfrage herausfand, war die Ausbeute für alle Suchenden ziemlich gleich. Es gab offenbar keine insgeheim abgesteckten “claims”, die besonders ertragreich waren. Alle waren erfahren genug, um zu wissen, wie sich die Ablagerungen auf die Kiesfläche verteilten. Hingegen scheint es Zeiten gegeben zu haben, in denen mehr Schlamm angespült oder das Kiesbett aufgewühlt wurde und neue Flächen für die Exploitation zur Verfügung standen. Das dürften die Zeiten gewesen sein, als “bei frischen Anschwemmungen schon Körner wie Bohnen” gefunden wurden, wie der Goldwäscher zu berichten wusste.
Höchstens 10 Zentner Grien, also gegen 500 Kilogramm, waren laut Schätzung von Casimir Mösch verarbeitet worden. Mit welchem Resultat? Das erwartete Mösch mit wirklich viel Spannung, oder wie er selbst schrieb: “Ich war begierig auf den Ertrag!”
Extraktion
Als chemisches Verfahren zur Reinigung und Veredlung bzw. Trennung kam oft die Amalgamierung zum Einsatz. Bei Zusetzung von Quecksilber zu Goldkörnchen und -spänen sowie zu noch untermischtem anderen Material bildet sich aus dem Quecksilber mit dem Gold zusammen ein flüssiges Amalgam. Wird nun das Quecksilber verdampft, so bleibt reines Gold zurück. Dass bei einer solchen Gewinnung von Gold höchst umwelt- und für die Goldwäscher gesundheitsschädliche Chemikalien verwendet wurden, ist Mitte des 19. Jahrhunderts noch kaum geläufig.
Am Feuer – das Amalgam über der Flamme
Die Ertragsfrage musste geklärt werden. Am liebsten in der Währung reinen Goldes! Casimir Mösch schilderte die nächsten Schritte:
“In der Wohnung des Wäschers angekommen, goss derselbe ca. 1 1/2 Loth Quecksilber [gegen zwei Löffel] nebst etwas Wasser in das Becken, rührte mit den Fingern 10 Minuten um, sonderte das nun goldhaltige Quecksilber von dem Sande, und drückte das Quecksilber durch einen leinenen Lappen. Der Rückstand wurde als ein Amalgam aus dem Lappen in einen eisernen Löffel gebracht und ca. 3 Minuten dem Kohlenfeuer ausgesetzt, wodurch das Gold … rein zurück blieb.”
Ziemlich viel Gewandtheit im Goldsuchen
Die letzten zwei Absätze des Berichts reservierte Casimir Mösch für seine persönliche Einschätzungen. Zum Ersten äusserte er sich lobend über die grosse Versiertheit der Goldwäscher – “es ist keine Frage, diese Leute haben ziemlich viel Gewandtheit im Goldsuchen.” Zum Zweiten aber schob er die Bemerkung nach, dass er selbst, nach Kenntnis aller Details, “in den Klüften bei Zeit und Gelegenheit auf dies hin, nach grösseren Stücken suchen” werde. Ob, wann und wie er dies “in den Klüften” in die Tat umgesetzt hat, darüber schweigt leider die vorliegende Quelle, obwohl wir ganz gewiss begierig darauf wären, Ort und Ertrag zu erfahren.
Weiterführende Quellen
Bericht von Casimir Mösch (1827-1898) an Arnold Escher von der Linth (1807-1872), Beilage zum Brief vom 15.1.1859, mit manueller Transkription veröffentlicht auf www.e-manuscripta.ch, ETH Zürich, Hochschularchiv, Hs 4:1251
Mösch, Casimir: Der Aargauer Jura und die nördlichen Gebiete des Kantons Zürich, 4. Lieferung der Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, Bern 1867
Mösch, Casimir: Geologische Karte der Umgebung von Brugg (Aargau), Furrer, 1867 (Geologische Karte der Schweiz)
Niggli, Paul, Strohl, Johannes: Zur Geschichte der Goldfunde in schweizerischen Flüssen, in: Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, Nr. 69, 1924
Ehrenkodex für Goldwäscherinnen und Goldwäscher, publiziert durch die Schweizerische Goldwäscher Vereinigung (SGV), Stand 11/2024, https://www.goldwaschen.ch
Interessanter Artikel. Zwei Anmerkungen:
– Das Dorf heisst Umiken, nicht Umikon. Es gehört seit ein paar Jahren politisch zur Stadt Brugg.
– Die Aare verläuft erst unterhalb des Ortteils Altenburg in anstehendem Fels (Malm-Kalke). Oberhalb von Altenburg, also im Wildischachen, verläuft das Flussbett durchgehend in Flussschottern. Die im Flussbett unterhalb von Altenburg aufgeschlossene Felsoberfläche ist geklüftet. Auf der unregelmässigen Felsoberfläche bildeten sich Sedimentfallen, in denen sich Gold und andere Schwermineralien anreicherten. Dies kann mit einer Goldwaschpfanne nachgewiesen werden. Ich vermute, dass auch in diesem Gebiet unterhalb Altenburg Einst Gold gewaschen wurde. Vielleicht meint Casimir Mösch dieses Gebiet, wenn er „in den Klüften“ auf Gold prosperieren möchte.
Ich bin ein paar Meter neben der Aare in Umiken aufgewachsen; das Gebiet liegt mir sehr am Herzen.
Herzlichen Dank für Ihre informativen Hinweise. Die Schreibweise lautet nun überall korrekt Umiken, auch in den Transkriptionen.
Zum Standort des Goldwaschens 1859: Mösch erwähnt in seinem Brief als Goldwaschgebiet die Flussinsel zwischen Umiken & Villnachern. Also wurde damals im Schotter gesucht. Dass im Bereich eine Schwelle folgt – offenbar erst Richtung Altenburg – kann aus Paul Niggli Erläuterungen geschlossen werden. Die Angabe «beim Brugger Ortsteil Umiken» müsste besser «nach dem Ufer und Gebiet von Umiken» lauten.
Ihre Anmerkung zu den von Mösch genannten “Klüften” wirkt sehr schlüssig, wenn er seine Suche ganz in der Nähe aufnehmen wollte.