Der Begriff «Kathodenfleck» beschreibt einen grün-blauen Lichtbogen, welcher bei starker elektrischer Ladung von Quecksilberdampf entsteht. Dieses Lichtspiel bildet sich im sogenannten Quecksilberdampf-Gleichrichter – ein Gerät, welches 1901 vom amerikanischen Ingenieur Peter Cooper-Hewitt entwickelt wurde. Die Funktion dieser Technologie ist es, Wechselstrom (AC) in Gleichstrom (DC) umzuwandeln, die elektrische Spannung also gleichzurichten.1 Ein solches Instrument befindet sich in der Sammlung wissenschaftlicher Instrumente und Lehrmittel und stellt den Ausgangspunkt wichtiger elektrotechnischer Fortschritte des 20. Jahrhunderts dar.
„Wer nie in das Auge des Kathodenflecks eines Quecksilberdampfgleichrichters geblickt hat, der weiß nicht, was lebendige Physik bedeutet!“2 So spricht der Wiener Physiker Johannes Mitterauer über den faszinierenden Vorgang der Stromumformung im Quecksilberdampf-Gleichrichter. Da solche Geräte aus Glasgefässen bestehen, kann der Prozess anschaulich beobachtet werden. Im folgenden Videobeitrag aus dem Maschinenmuseum Kiel-Wik ist ein Gleichrichter in Betrieb zu sehen.
Die Faszination, die vom Gleichrichter durch seine ungewöhnliche Form und sein blaues Leuchten ausgeht, hat auch Eingang in die Pop-Kultur gefunden. Im Film «The Evil of Frankenstein» (1964) werden Mitterauers Worte der «lebendigen Physik» personifiziert: Dort nutzt Frankenstein gleich mehrere Quecksilberdampf-Gleichrichter, um sein Monster wortwörtlich zum Leben zu erwecken (Abb. 1).
Das Objekt (Abb. 2) in der Sammlung wissenschaftlicher Instrumente und Lehrmittel stammt aus dem Elektrotechnischen Institut der ETH und wurde von der Signum AG in Wallisellen hergestellt.
Es diente wohl der Forschung und Lehre an der ETH. Darauf verweist eine Fotografie aus dem ETH-Bildarchiv, die ein sehr ähnliches Objekt im Labor des elektrotechnischen Institutes zeigt (Abb. 3).
Im frühen 20. Jahrhundert spielten Quecksilberdampf-Gleichrichter bei der Elektrifizierung von Eisenbahnsystemen eine wichtige Rolle, da sie Gleichstrom mit hoher Spannung erzeugen konnten. So wurde beispielsweise die Bayerische Zugspitzbahn ab 1929 mit neun Glas-Gleichrichtern betrieben (Abb. 4). Die Geräte waren ausserdem für Strassenbahn- und U-Bahnsysteme ausschlaggebend 3
Die frühen Gleichrichter waren jedoch störungsanfällig, und die Spannungshöhe war durch die Eigenschaften des Glaskolbens begrenzt.4 Daher wurde bald in ihre Weiterentwicklung investiert. Dies unter anderem auch bei der in Baden ansässigen Firma Brown Boveri & Cie. (BBC, heute ABB). Dort leitete der Elektroingenieur und ETH-Privatdozent Walter Dällenbach ab 1921 eine Forschungsabteilung mit dem Ziel, die nächste Generation der Gleichrichter – robuster und mit höherer Leistungskapazität – zu schaffen (Abb. 5).5
Dies jedoch nur für eine kurze Zeit, denn bereits 1924 verliess Dällenbach unzufrieden die BBC und gründete kurzerhand eine eigene Forschungsgesellschaft namens «Syndikat für technische Physik».6 Einer seiner Mitarbeitenden liess die BBC ebenfalls hinter sich, um dem Forschungsunternehmen beizutreten. Es ist Edouard Gerecke, ein ehemaliger ETH-Student, der ab 1952 ebenda Professor für Elektrotechnik werden wird. Den beiden Wissenschaftlern gelang im Jahr 1931 die Entwicklung eines Gleichrichters mit Stahlgehäuse, der ohne Vakuumpumpe funktionierte.7 Ihre Erfindung war eine «fachliche Sensation» und setzte sich in den kommenden Jahren international durch.8 Ursprünglich wurde der neue Gleichrichter von der Genfer Firma Sécheron produziert. Dieser «pumpenlose Quecksilberdampfgleichrichter im Stahlgefäss» wurde schliesslich sogar an der Landesausstellung («Landi») 1939 in Zürich ausgestellt (Abb. 6). 9
Das Gerät war dort jedoch nicht nur ein Ausstellungsobjekt; es wurde genutzt, um einen «Elektrozug» mit Gleichstrom zu versorgen. Dieses batteriebetriebene Gefährt repräsentierte neben der Schwebeseilbahn über dem Zürichsee und dem «Schifflibach» die vielseitige Elektromobilität an der «Landi» 1939.10 Im Pavillon zur Elektrizität war auch der damals bereits veraltete Glas-Gleichrichter ausgestellt. Dieser wurde – wie auch unser Sammlungsobjekt – von der Firma Signum AG hergestellt (Abb. 7). An der Landesausstellung wurde er genutzt, um einen Windkanal zu betreiben.11
Walter Dällenbach kam trotz seiner Arbeit als Entwickler der neuen Gleichrichtertechnik nur wenig Anerkennung zu und er konnte sein Ziel einer Professur an der ETH nicht erreichen. Daher verliess er bereits 1931 die Schweiz, um Patente für seine Technologie in Berlin zu verkaufen, wo deutsche Grossunternehmen wie die AEG ansässig waren.12 Die Machtübernahme der Nationalsozialist*innen 1933 brachte ihn nicht davon ab, in Berlin zu arbeiten. Er war dank einer guten Beziehung zum Vetter von Martin Bormann, dem «Reichsleiter der Partei», im NS-Regime bestens vernetzt.13 Somit beging Dällenbach eine erfolgreiche Karriere bei der Firma Pintsch AG und verhandelte 1943 sogar die Gründung einer eigenen Forschungsstelle in Deutschland. Diese «Forschungsstelle D» war unter anderem in der Rüstungsforschung tätig.14 Angesichts dessen ist die Geschichte von Walter Dällenbach und seinem Beitrag zur Gleichrichtertechnik getrübt. Er ist ein Wissenschaftler, der nicht zuletzt aufgrund von «Ressentiments gegen die Heimat» bereit war, unter dem NS-Regime zu arbeiten.15
Quellennachweise
Anschütz, Helmut: Geschichte der Stromrichtertechnik mit Quecksilberdampfgefässen, Berlin 1985 (Geschichte der Elektrotechnik 2).
Burri, A.; Müller, K.E. (Hg.): Elektrizität: Technisches Zeitbild aus der Schweizerischen Landesausstellung 1939, Zürich 1940.
Fuchs, Thomas: Gerecke, Eduard, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), 04.11.2005. Online: <https://hls-dhs-dss.ch/articles/031357/2005-11-04/>, Stand: 20.09.2024.
Häfliger, Lorenz; Inwyler, Charles; Jacob, Adolf, et al.: Beiträge der Schweiz zur Technik: Schweizerische Erfindungen von internationaler Bedeutung., Bd. 4, Oberbözberg 1991 (Alte Forscher – aktuell).
Mitterauer, Johannes: Physik und Technologie der Quecksilberdampfventile für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, Wien 2011.
Moglestue, Andreas: Vom Quecksilberdampf zum Hybridleistungsschalter. 100 Jahre Leistungselektronik, in: ABB-Review (2), 2013, S. 70–78.
Stäger, A.: Dr.-Ing. Walter Dällenbach, in: Physikalische Blätter 33 (7), 1977, S. 318–320.
Weiss, Burghard: Schweizer unter dem Hakenkreuz: Walter Dällenbach (1892-1990), Alfred Schmid (1899-1968) und die Rüstungsforschung des Dritten Reichs, in: Hoffmann, Dieter; Walker, Mark (Hg.): «Fremde» Wissenschaftler im Dritten Reich: Die Debye-Affäre im Kontext, Göttingen 2011, S. 230–261.