Sapere aude: Der Einfluss der Aufklärung auf die europäische Kartografie

2024 jährt sich der Geburtstag des Philosophen Immanuel Kant zum 300. Mal, der mit seinem Denkansatz «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!» (lat. Sapere aude) die abendländische Kultur prägte. Mit seinen Werken spiegelte er das neue, kritische Herangehen an Überlieferungen und Informationen in der Zeit der europäischen Aufklärung wider, welches sich auch in der Kartografie der damaligen Zeit zeigt.

Kartografische Dokumente sind bereit in der Antike zu finden, auch wenn noch in simplen und teils verzerrten Darstellungen. Eine der Berühmtesten ist die Tabula Peutingeriana, eine Strassenkarte des römischen Reiches mit Entfernungsangaben und den Militärstationen. Auf einem Ausschnitt der Karte lässt sich die Stiefel-form Italiens bereits erahnen.

Tabula Peutingeriana

Ausschnitt von Süditalien aus der Tabula Peutingeriana (Rar KA 75).

Im Mittelalter gab es, verglichen mit den Erkenntnissen aus der Antike, einen erheblichen Rückschritt in der europäischen Kartografie. Ziel war es nicht Karten im naturwissenschaftlichen Sinne genau herzustellen, sondern wurden von Mönchen zur Illustration religiöser Werke angefertigt. Erst in der Renaissance konnte dank dem Wissen aus der islamischen Welt, wo die antiken Erkenntnisse in Mathematik weitergepflegt wurde, die europäische Kartografie beleben.

Karten wurden in der Folge wieder geografisch genauer, was auch dem Aufstieg der europäischen Seefahrerei um 1500 gewidmet ist. Die Kartografen waren allerdings auch auf die Schilderungen der Seefahrer angewiesen, welche über ihre Reisen berichteten. So wurden zwar die Landmassen geografisch korrekt, deren Inhalt allerdings durch die teils ungenauen Angaben aus Reiseberichten mit hypothetischen Darstellungen ergänzt.

Africa Libya Norland

Africa, Libya, Norland, mit allen künigreichen so zu unsern zeiten darin gefunden werden (Rar 5716, [Abb. 22].).

Dies änderte sich erst in der eingangs erwähnter Epoche, als sich die kritische Beurteilung der Quellen auch bei Kartografen begann durchzusetzen. Dies hatte zur Folge, dass die unbewiesenen Darstellungen verschwinden und weisse Flecken auf den Karten in Kauf genommen werden.

Um die Schwierigkeiten mit den verwendeten Quellen aufzuzeigen, wurden die Karten daher auch um kritische Anmerkungen und informative Texte ergänzt. So auch auf den Karten von Tobias Mayer (1723 – 1762), dessen Kartenwerke exemplarisch für die Kartografie der europäischen Aufklärungszeit gehören.

Auf der Weltkarte in seinem «Atlas minor ex XVIII. tabulis geographicis» findet sich gleich unter dem Äquator der Text «Terra quam credit Mandano esse novam guineam» oder «das Land, von dem Mandano glaubt, dass es Neuguinea ist».

Aussschnitt Planiglobii Terrestris Mappa Universalis 2

Aussschnitt aus «Planiglobii Terrestris Mappa Universalis […]» (Rar 3415, [Taf. 16]).

Ebenso wie kritische Texte flossen in der Zeit der Aufklärung auch vermehr die Kenntnisse der indigenen Bevölkerung in die Herstellung europäischer Karten. So findet sich auf der Karte «Carte de l’Asie […]»am rechten Rand eine Anmerkung zur Position Mikronesiens. «Die zweifelhafte Lage der Inseln wurde aus den Berichten der Bewohner ermittelt» (lat.: Insulae positionis dubiae et ex relationibus incolarum cognitae).

Ausschnitt Carte De L'asie Zur Mikronesiens

Aussschnitt der «Carte de l’Asie […]» zur Position Mikronesiens (Rar3415, [Taf. 12]).

Diese aufklärerische Art der Kartendarstellung hatte die Einsicht, dass Karten durch das beeindruckten, was sie zeigten sowie eben auch was sie nicht zeigten. Wie auch heute wieder war die Beurteilung von Quellen und korrekte Wiedergabe von Informationen so auch schon vor rund 300 Jahren ein wichtiger Aspekt.

Projekt «Versteckte Karten»

Als kleine Anmerkung zu diesem Blogbeitrag: Mit Ausnahme der Tabula Peutingeriana befinden sich alle verwendeten Karten im Bestand der «Alten und Seltenen Drucke» der ETH-Bibliothek. In einem neuen Projekt, welches gerade vorbereitet wird, arbeitet die Gruppe «Rara und Karten» (Teams «Alten und Seltenen Drucke» und «Karten und Geoinformation») daran diese Karten systematisch zu identifizieren, zu erschliessen und georeferenziert zur Verfügung zu stellen.

Quellen:

Edney, M. H., Pedley, M. S., Karrow, R. W., Reinhartz, D., & Tyacke, S. (2019). Cartography in the European enlightenment. The University of Chicago Press.

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