1947 wurde der jugoslawisch-schweizerische Chemiker Leopold Ruzicka 60 Jahre alt. Der Experte auf dem Gebiet der Polymethylene und höheren Terpenverbindungen wurde 1939 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Ende des zweiten Weltkrieges exponierte er sich als Gründer des «Schweizerisch-jugoslawischen Hilfskomitees» zur Unterstützung der Kriegsversehrten und Bedürftigen nach den Verheerungen der Partisanenkriege. Ruzicka war bereits vielfacher Ehrendoktor, weltberühmt und hochangesehen. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere schien es angebracht, auf seine Leistungen zurückzublicken, mit einer gehörigen Prise Humor.
Die Menukarte verriet, ganz tagesaktuell, die politischen Gegensätze von «links» und «rechts». Das klassische französische Hors d’oeuvre wich einer «Cooperativen Vorspeise», die Bouillon Molotow versprach ein explosives kulinarisches Erlebnis. Weiter ging es mit dem Cotelette nach «volksdemokratische Art». Wie sich dies wohl von der «bürgerlichen Art» unterschied? Die halbmondigen Hörnli waren neu «Teigsicheln», der Gemischte Salat wurde ukrainisch.
Die unmittelbare Nachkriegszeit liess noch Spielraum für einen solch humoristischen Umgang mit dem drohenden Kräftemessen zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Welt. Titos Verhältnis mit Stalin war 1947 noch nicht derart zerrüttet, dass man den dritten Weg Jugoslawiens hätte erahnen können.
Mit ähnlich breitem Schmunzeln wie das Festmahl sollte der Schnitzelbank zu Ehren Ruzickas aufgenommen werden. Der Schnitzelbank handelt seine ganze bisherige Biografie auf knapp vier Seiten und 38 Versstrophen ab. Dort ist er «famoser Kauz» mit «langem Schnauz» und hat die «Nase kühn» und den «Tschopen grün». Angepriesen wird sein Fleiss, aber auch derjenige seiner Mitarbeiter. Ebenso erwähnenswert ist sein weitverzweigtes Netzwerk:
«Freunde viel hat Leopold
Papst und Tito sind ihm hold.
Und auch in Amerika
Gönner hat er, hopsassa.»
Leopold Ruzicka, geboren 1886 in Österreich-Ungarn, ging 1957 in den Ruhestand und starb 1976 mit 89 Jahren im thurgauischen Mammern. Der Nachlass des Chemikers befindet sich im Hochschularchiv der ETH Zürich.