Blutregen und Passatstürme

In den vergangenen Jahren gab es im Frühjahr vermehrt rekordverdächtige frühsommerliche Temperaturen, welche mit einem eigenartigen und faszinierenden Wetterphänomen im Zusammenhang stehen: Dem Transport von kleinen Wüstenpartikeln aus der Sahara…

Dass Saharastaub sich auf den Weg nach Norden macht, kommt seit jeher immer wieder vor, vorzugshalber im Frühling und Herbst. Verantwortlich dafür ist ein starker Wind, welcher die Staubpartikel in westlicher Richtung bis nach Südamerika und Richtung Norden bis nach Deutschland treiben kann. Wenn sich dabei der Wüstenstaub mit Regentropfen vermischt, entsteht ein orange oder rot gefärbter Regen, der den Eindruck erweckt, als ob Blut vom Himmel fallen würde. So entstand im Volksmund der Begriff «Blutregen».

Bereits in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts befasste sich die Naturwissenschaft mit diesem Phänomen, so auch der deutsche Mediziner und Mikrobiologe Christian Gottfried Ehrenberg (1795-1876). Mehrere Vorträge zu den Untersuchungen des atmosphärischen Staubes im Zusammenhang mit dem farbigen Wetterphänomen wurden 1849 von der Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin herausgegeben. https://doi.org/10.3931/e-rara-135087 (Rar 56056). Ehrenberg, Mitglied und Sekretär der Akademie, beschreibt anhand von zitierten Reiseberichten die Wüstenwinde als «ein grosses organisches unsichtbares Wirken und Leben in der Atmosphäre». Der Staubregen, welcher die Luft über längere Zeit trübt, würde sich aus zahlreichen sogenannten Kieseltierchen zusammensetzen. Er bezieht sich dabei auf einen Reisebericht von Charles Darwin und zitiert ihn zu diesem Wetterphänomen folgendermassen:

«Herr Darwin, der bekannte und verdienstvolle englische Reisende und Schriftsteller über die Corallenriffe, erzählt in seinem Reiseberichte, dass auf den Capverdischen Inseln und auch im hohen Meere jener Gegend bei seiner Anwesenheit daselbst beständig ein feiner Staub aus der Luft gefallen sei und auch die Schiffe, welche 380 Seemeilen vom Lande entfernt waren, wurden, seinen brieflichen Mittheilungen zufolge, davon betroffen. Der Wind wehte damals von der afrikanischen Küste her.»

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Abb. 1: “Scirocco-Staub aus Italien”

Darwin und Ehrenberg arbeiteten in dieser Zeit eng zusammen, so überliess der Engländer dem deutschen Forscher von dieser Reise Sandproben zur mikroskopischen Analyse. Aufgrund der gelbroten Farbe des Staubes, ging man bisher davon aus, dass es sich um vulkanische Asche handeln würde, was Ehrenberg widerlegen konnte:

«Herr Darwin hat noch 5 verschiedene Proben ähnlichen Staubes zur Vergleichung gesandt. […] Dieser früher von Beobachtern für vulkanischen Auswurf gehaltene Staub wurde den früheren Materialien zufolge als erfüllt mit 37 Arten von kieselschaligen Infusorien und Phytolitharien bezeichnt und somit von kosmischen oder vulkanischen Verhältnissen ausgeschlossen…»

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Abb. 2: “Scirocco-Staub von Malta, Nebelstaub”

Ehrenberg hatte sich insbesondere durch seine Beschäftigung mit Kleinstorganismen einen Namen in der Naturforschung gemacht. Diese Organismen waren bisher noch nicht systematisch erforscht worden. Er nahm selbst an Expeditionen teil, so begleitete er Alexander von Humboldt auf einer Forschungsreise durch Russland bis zur chinesischen Grenze, worüber er ein Tagebuch erstellte. Die Sammlung seiner Studien befindet sich heute im naturkundlichen Museum der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort befinden sich unter anderem über 40’000 mikroskopische Präparate und ca. 3’000 wissenschaftliche Zeichnungen. Einige dieser eindrücklichen farbigen Skizzen haben den Weg in dem Buch mit den Vorträgen über die Passatwinde in die ETH-Bibliothek gefunden.

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Abb. 3: “Passat-Staub des atlantischen Oceans”

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Abb. 4: “Scirocco-Staub von Genua (Mai 1846)

Literatur:

C.G. Ehrenberg: “Passat-Staub und Blut-Regen”, Berlin, 1849, (Rar 56056)

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