Das Haager Abkommen vom 14. Mai 1954 jährt sich diese Tage zu 70. Mal. Es ist ein wichtiges völkerrechtliches Instrument zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Auch die Schweiz ist dem Abkommen 1962 beigetreten und verpflichtet sich, bereits in Friedenszeiten Vorkehrungen zum Schutz des Kulturerbes zu treffen.
In den Archivbeständen der ETH Zürich finden sich verschiedene Spuren dieser frühen Vorkehrungen. So lud der Zürcher Stadtpräsident Emil Landolt im August 1962 die Verantwortlichen der Gedächtnisinstitutionen zu einem Meinungsaustausch zum Thema “Kulturgüterschutz im Kriege” ein. Auch der damalige Direktor der ETH-Bibliothek, Paul Scherrer, war anwesend. Aus seiner Aktennotiz geht hervor, dass im Zentrum des Treffens die Frage der Evakuierung im Kriegsfall und die damit verbundenen logistischen Schwierigkeiten standen:
«In die Innerschweiz (Reduit) sollen nur jene Dokumente und Kulturgüter evakuiert werden, die dem Zugriff einer Besatzungsmacht unbedingt entzogen werden sollen. Mit dieser Einschränkung werden sich wohl nur kleine Transport-Volumina ergeben» (Aktennotiz, Dr. P. Scherrer von 20. August 1962 | ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, EZ-ZWD-Bib02:1.1.1.3)
Ausgehend von dieser Feststellung ging es bei der Besprechung im Stadthaus dann vor allem um lokale Lösungen wie unterirdische Räume auf dem Gebiet der Stadt Zürich, zumindest hat der Bibliotheksdirektor vor allem diesen Aspekt der Zusammenkunft protokolliert.
Auf internationaler Ebene, unter der Voraussetzung, dass sich die Konfliktparteien an die völkerrechtlichen Bestimmungen halten, sieht eine Massnahme zur Respektierung von Kulturgütern deren Kennzeichnung vor. Im Magazin des ETH-Hauptgebäudes befindet sich eine Tafel mit dem internationalen Schutzzeichen (oft auch «Blue Shield» genannt). Sie stammt vermutlich aus den späten 1970ern. Der Bund veröffentlichte 1988 ein erstes Inventar der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung. Allerdings kursierten bereits in den 1970ern erste Listen, in denen auch mobile Kulturgüter wie die Bestände der ETH-Bibliothek und der Graphischen Sammlung aufgeführt waren.
Die ausdrückliche Empfehlung an die Staaten, Verzeichnisse ihrer Kulturgüter zu erstellen, wurde dann auch in das Zweite Protokoll zum Haager Abkommen (26.3.1999) aufgenommen. Das Schweizerische Kulturgüterschutz-Inventar (KGS-Inventar) liegt inzwischen in der vierten Auflage vor,[i] und die Kulturgüter von nationaler Bedeutung sind im Geoportal des Bundes hinterlegt und für alle zugänglich.
Ebenfalls in den 1960er Jahren, lange vor dem ersten Inventar, gab das Bundesamt für Landestopografie die ersten Karten mit Kulturgütern heraus. Auch diese Karten zeigen das Schutzzeichen und verweisen auf das Hager-Abkommen. Der Zweck der Karte: «Diese Karte wurde für die Stellen geschaffen, die sich aus amtlichen, militärischen oder beruflichen Gründen mit Kulturgüterschutz zu befassen habe. Sie wird auch den Kunst- und Geschichtsfreunden gute Dienste leisten.»[ii]
Das Hauptgebäude der ETH Zürich war auf dieser frühen Karte zumindest als Baudenkmal verzeichnet. Später kamen weitere historische Bauten der ETH Zürich (wie die eidgenössische Sternwarte und das Maschinenlaboratorium) sowie der grösste Teil der Sammlungen und der Archive als Kulturgüter von nationaler Bedeutung hinzu.
Bildhinweis
Das Beitragsbild ist ein Ausschnitt aus der Karte der Kulturgüter. Eidg. Landestopographie, 1970 (ETH-Bibliothek, Kartensammlung, KS 176 ©swisstopo)
Querverweise
Sichere Häfen für gefährdete Archive? – ETHeritage (ethz.ch)
[i] KGS-Inventar. Ausgabe 2021. Schweizerisches Kulturgüterschutzinventar mit Objekten von nationaler und regionaler Bedeutung, Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS, Fachbereich Kulturgüterschutz KGS, Bern.
[ii] Karte der Kulturgüter. Eidgenössische Landestopographie, Ed. 1963, vgl. Kartenrückseite.