Einer Sucht zu dienen ist verwerflich und unwürdig…

…einem Gotte zu dienen dagegen, ist wegen der Unterwerfung unter ein höheres Unsichtbares und Geistiges bedeutend sinnvoller und zugleich aussichtsreicher […]. (GW 13, 55)

Carl Gustav Jungs Verhältnis zum Suchtmittel Alkohol wurde bereits in einem ETHeritage-Blogbeitrag behandelt. Doch was war seine Einstellung zum Einsatz von anderen Suchtmitteln? Die Verwendung von halluzinogenen Drogen in psychologischen Behandlungen ist noch heute ein sehr umstrittenes Thema, das in den 1950er Jahren das erste Mal aufkam.

Eine Pionierin auf dem Gebiet der Anwendung von LSD und anderen psychedelischen Drogen als Hilfsmittel in der Psychotherapie war Betty Grover Eisner (1915-2004). Sie führte Forschungen zur Behandlung von Alkoholismus unter Zuhilfenahme von LSD durch. Ausserdem war sie die Therapeutin von Bill Wilson, dem Mitbegründer der Anonymen Alkoholiker, und begleitete ihn als er LSD ausprobierte. Sie führte zudem Experimente mit der Verabreichung von Meskalin, Methylphenidat und Carbogen durch. Neben ihrer Forschung mit psychedelischen Drogen in psychotherapeutischen Settings stand sie in brieflichem Kontakt mit Carl Gustav Jung.

In einem Brief von Eisner an Jung vom 02. August 1957 beschreibt sie ihre Erfahrung im Einsatz von LSD.

Besonders interessant ist die folgende Passage:

It has been particularly fascinating because this drug appears to me to be almost a “religious” drug, if one may use the term. Just as with mescaline and bufotenine (or whatever the active ingredient of the mushrooms), LSD unlocks the door to an individual’s unconscious.

(Betty Eisner an C.G. Jung, 2. August 1957. ETH-Bibliothek, Hochschularchiv ETH, Hs 1056:23908)

Während Eisner die Nutzung von Stimulanzien mit Jungs Theorie des kollektiven Unbewussten verbindet, war Carl Gustav Jung kein Befürworter des Einsatzes von halluzinogenen Drogen in der Psychotherapie.

Sowohl in Jungs Antwortschreiben an Eisner vom 12. August 1957 sowie in einem Brief an Viktor White vom 10. April 1954 drückt er zwar sein Interesse für diese Forschung aus, spricht sich jedoch klar dagegen aus, dies selbst zu nutzen. Bereits im Austausch mit White fand er eindeutige Worte als er schrieb:

I don’t know either what its psychotherapeutic value with neurotic or psychotic patients is. I only know there is no point in wishing to know more of the collective unconscious than one gets trough dreams and intuition. The more you know of it, the greater and heavier becomes your moral burden, because the unconscious contents transform into your individual tasks and duties, as soon as they begin to become conscious. Do you want to increase loneliness and misunderstanding? Do you want to find more and more complications and increasing responsibilities? You get enough of it.

(C. G. Jung an Victor White, 10. April 1954, S. 11. ETH-Bibliothek, Hochschularchiv ETH, Hs 1056:30594)

In der Korrespondenz mit Eisner wiederum äussert er sich vor allem zu ihrer Aussage, dass der Konsum von LSD mit einer religiösen Erfahrung gleichzusetzen sei. Er bekundet seinen Unmut darüber, dass die unbewussten Ebenen, welche durch den Einsatz von solchen Drogen freigelegt werden, sonst nur unter besonderen psychischen Bedingungen erfahrbar sind. Die dadurch erreichten «religiösen» Erfahrungen sind also mehr mit Physiologie denn mit Religion gleichzusetzen:

(C.G. Jung an Betty Eisner, 12. August 1957. ETH-Bibliothek, Hochschularchiv ETH, Hs 1056:24610)

Abbildung: © Stiftung der Werke von C.G. Jung.

It is only that mental phenomena are observed, one can compare to similar images in ecstatic conditions. Religion is a way of life and a devotion and submission to certain superior facts – a state of mind which cannot be injected by a syringe or swallowed in the form of a pill. It is to my mind a helpful method to the barbarous Peyotee, but a regrettable regression to a cultivated individual, an dangerously simple “Ersatz” and substitute for a true religion.

(C.G. Jung an Betty Eisner, 12. August 1957. ETH-Bibliothek, Hochschularchiv ETH, Hs 1056:24610)

Dabei ist die Einstellung von C. G. Jung zum Drogenkonsum durchaus differenziert zu betrachten. In der Psychotherapie wollte er auf halluzinogene Drogen verzichten und setzte stattdessen Techniken wie die Aktive Imagination ein, um Personen dazu zu bringen, sich mit ihrem Unterbewussten auseinander zu setzen. Gleichzeitig anerkannte er den Unterschied, dass in Naturreligionen der Konsum von Drogen durch ausgewählte Personen wie Schamanen genutzt werden können, um sich in Trancezustände zu begeben, in welchen religiöse Erfahrungen wahrgenommen werden können. Der entscheidende Unterschied dabei ist, die Bereitschaft der Konsument:innen diese Erfahrungen zu machen und sich aktiv mit dem eigenen Unterbewussten auseinander zu setzen.

So war C.G. Jung also ein Verfechter davon, dass halluzinogene Drogen keine Therapieform seien, die er nutzen will. Der Konsum von Drogen für eine religiöse Erfahrung war hingegen etwas, das er durchaus anerkannte. Insbesondere deshalb, weil seine Einstellung zur Religion besagte, dass alle (religiösen) Erfahrungen jeweils auf die eigene Psyche zurückgehen und auch daraus gespiegelt werden. Entsprechend können Drogen wie LSD oder Meskalin hilfreich sein, diese Dinge wahrzunehmen.

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