Von den Anfängen der Luftnavigation – Die unikalen Flugkarten der Swissair

In der grossen Kartensammlung der ETH-Bibliothek schlummern immer wieder einmalige Schätze, die darauf warten entdeckt zu werden. So auch die einzigartigen Peil- und Flugroutenkarten des ehemaligen Schweizer Nationalstolzes, der Swissair.

Am 2. Oktober 2001 um 16:15 Uhr schockierte eine Durchsage am Flughafen Zürich-Kloten die Schweiz.

«Meine Damen und Herren, liebe Fluggäste. Aus finanziellen Gründen ist die Swissair nicht mehr in der Lage ihre Flüge durchzuführen. […]»

Durch eine gescheiterte Expansionsstrategie ab der Mitte der 1990er Jahre verwandelte sich die «fliegende Bank» zum Konkursfall. Nicht nur für Angestellte und Passagiere begann eine turbulente Zeit. Die wirtschaftliche und politische Elite der Schweiz musste sich harschen Fragen stellen, wieso die nationale Fluggesellschaft nicht gerettet wurde. Besonders die beiden Grossbanken Credit Suisse und UBS, letztere die Hausbank der Swissair, zogen den Volkszorn auf sich.

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Bilder aus Swissairzeiten: Die McDonnell Douglas MD-11 HB-IWU «Luzern» (2000). LBS_SR04-006783

Was für ein nationales Symbol die Swissair war, zeigte sich auch in den folgenden Jahren. Die Ausstellung «Remember Swissair: Die Zukunft in der Vergangenheit» des Landesmuseums Zürich musste wegen dem Besucheransturm 2002 verlängert werden, der Spielfilm «Grounding – Die letzten Tage der Swissair» lockte 378’000 in die Kinos und Memorabilia der Swissair sind auch über 20 Jahre nach dem Grounding begehrt.

2005 gelangten rund 50 Flugzeugmodelle, 400 Originalposter, historische Dokumente, Werbe- und Instruktionsfilme, Flight Manuals, Instruktionsbücher und Checklisten, Bücher, Kalender, Auszeichnungen, Ölgemälde aus der Direktionsetage sowie Peil- und Routenkarten zur letzten Versteigerung des Swissair-Nachlasses.

Damit die kulturhistorisch wertvollen Karten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten, erwarb die damalige Flughafenbetreiberin Unique (Flughafen Zürich) AG die Karten und überreichte sie Mitte Januar 2006 der ETH-Bibliothek. Die unikalen Karten geben einen einmaligen Einblick in die Anfänge der Flugnavigation, bevor globale Navigationssatellitensysteme (GNSS) Einzug ins Cockpit hielt.

In den Anfängen der Luftfahrt steuerten Piloten ihre Flugzeuge noch per Sichtflug. Dabei kontrolliert der Pilot das Flugzeug nach visuellen Kriterien und wird noch heute in geringen Höhen und in Kleinflugzeugen angewendet. Dagegen ermöglichte Peilung von Flugzeugen ab den 1930er Jahren den Blindflug, der weniger abhängig von den Sichtverhältnissen ist.

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Positionsbestimmung eines Flugzeugs auf der Peilkarte (1936-1948). LBS_SR01-00368

1933 führte die Schweiz das in Deutschland entwickelte ZZ-Verfahren ein, welches darin bestand, anfliegende Flugzeuge per Zielpeilung über einen Flughafen zu lotsen. Sobald das Bodenpersonal anhand der Motorengeräusche den Überflug bestätigen konnte, wurde der Flugbesatzung eine entsprechende Meldung per Funk übermittelt. Der Pilot drehte anschliessend in eine bestimmte Richtung ab und legte eine vordefinierte Strecke zurück. Danach kehrte er wieder um und ging vom Bodenpersonal unter ständigen Kurskorrekturen in den Landeanflug über.

Dieses Verfahren war allerdings sowohl personal- und zeitaufwändig als auch ineffizient, da nur ein Flugzeug auf einmal so gelotst werden konnte. Dieses Verfahren der Fremdpeilung wurde daher in der Schweiz mit dem aufkommenden Flugverkehr durch die Eigenpeilung ersetzt.

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Peilkarte für das Gebiet Genf – Kairo (1953). Rar KS 476

Bei der Eigenpeilung wird nicht vom Boden aus angepeilt, sondern das Flugzeug selbst peilt einen Sender am Boden an. Somit war die Flugzeugbesatzung selbst im Stande ihre Position zu bestimmen. Die Peil- und Routenkarten aus den 1940er und 1960er Jahren waren somit ein Muss für alle Piloten für die Standortbestimmung ihres Flugzeuges. Durch den Funkkontakt mit Bodenstationen und den eigenen Peiler konnten die Empfänger im Flugzeug Kurskorrekturen vornehmen und das richtige Reiseziel ansteuern. Mit dem Fortschritt der Technik entstanden daraufhin Flugrouten und deren kartografischen Darstellung.

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Flugroutenkarte für die Strecken Basra – Bombay und Dhahran – Bombay (1965). Rar KS 487

Bei der Übergabe dieser Unikate wurde aber auch auf einen anderen Verwendungszweck der Karten hingewiesen. Da die Karten in Aluminium eingebunden sind, wurden sie laut Anekdoten der Swissair teils als Esstischchen für Crewmitglieder verwendet.

Die Swissair-Karten können über swisscovery bestellt und im Lesesaal Sammlungen und Archive (Öffnungszeiten Mo – Fr: 10:00 – 17:00 Uhr) angeschaut werden.

Quellen:

  • ETH Life Print 27. Januar 2006.
  • Fehr, Sandro. Die Erschliessung der dritten Dimension : : Entstehung und Entwicklung der zivilen Luftfahrtinfrastruktur in der Schweiz, 1919-1990. Zürich: Chronos Verlag, 2014.
  • Gsell, Robert. “Hochfrequenztechnik in Der Luftfahrt” (1934).

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