Die Photovoltaik boomt, wie alle erneuerbaren Stromgewinnungstechnologien. Was die Integration der bislang auf dem Markt erhältlichen Solarmaterialien in den architektonischen Entwurf anbelangt, so steckt die Entwicklung allerdings noch in den Kinderschuhen.
Vorgefertigte Solarmodule an geeigneten Stellen auf dem Dach oder der Fassade eines Gebäudes nachträglich zu installieren, ist technisch gesehen meist machbar, das ästhetische Resultat jedoch oft wenig zufriedenstellend, weshalb Solardächer und -fassaden zuweilen noch immer einen zweifelhaften Ruf haben.
Einige Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen allerdings, dass es zum einen durchaus möglich ist, ein Haus in ästhetisch ansprechender Weise nachträglich auf Solartechnologie umzurüsten, zum anderen aber auch, dass man diese von Anfang an in einen zeitgemässen architektonischen Entwurf integrieren kann.
Sumhofspeicher, Wolfach, 1796, transloziert und restauriert 2019 durch Hardy Happle Architektur. Foto: Hardy Happle Architektur
Für einen ehemaligen Kornspeicher im Kinzigtal im Schwarzwald wählte das Büro Hardy Happle marktfertige Solarschindeln, die formal an das ursprüngliche, schindelbedeckte Dach angelehnt sind, sich sehr gut in das bestehende Gebäude integrieren und auch von der Denkmalpflege gebilligt wurden. Die südliche Dachhälfte des Sumhofspeichers, der auf den 1,4 km vom ursprünglichen Standort entfernten Liefersbergerhof transloziert wurde, ist mit rautenförmigen dunklen Photovoltaikmodulen bedeckt. Sie enthalten monokristalline Siliziumzellen und versorgen neben dem Speicher den gesamten Hof mit Energie.
Wohnhaus Solaris, Zürich, Huggenbergerfries, 2011–2017. Foto: Beat Bühler
Eines der gelungensten Architekturbeispiele der letzten Jahre steht in Zürich-Wollishofen an der Seebahnstrasse. Das mit einem Giebeldach ausgestattete Wohnhaus Solaris von Huggenbergerfries ist komplett von einer Hülle aus gerillten Gussglassplatten umgeben, die je nach Lichteinfall dunkelrot bis auberginenfarben erscheint. Lediglich Fenster und Dachfenster wurden ausgespart und durchbrechen den ansonsten sehr homogen erscheinenden Baukörper. Unter den intransparenten Glasplatten sind Photovoltaikmodule mit monokristallinen Siliziumzellen angebracht, die etwa die Hälfte des für das Haus benötigten Stroms produzieren, darin inbegriffen ein im Mietpreis enthaltenes Elektroauto, das allen Hausbewohnern zur Verfügung steht. Das von den Architekten aus gestalterischen Überlegungen gewählte dunkle Gussglas reduziert die Effizenz der Anlage um rund 40%.
Swisstech Convention Center, Lausanne, Richter Dahl Rocha et Associés architectes SA, 2014. Foto: Ramoul, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Eine sehr vielversprechende, bislang allerdings hinsichtlich Effizienz noch nicht mit Siliziumzellen konkurrenzfähige Technologie wurde von Prof. Michael Grätzel an der EPFL in Lausanne entwickelt: Die nach ihm benannten Grätzel-Zellen funktionieren nach den Prinzipien der pflanzlichen Photosynthese. Erstmals wurden sie 2014 in einen Neubau integriert: Am Swisstech Convention Center in Lausanne von Richter Dahl Rocha et Associés architectes ist die gesamte Westfassade mit Lamellen aus Farbstoffsolarzellen bestückt, die Strom erzeugen und zugleich das Gebäude vor direkter Sonneneinstrahlung schützen. Die internationale Forschung der kommenden Jahre wird diese organische Zelltechnologie weiter vorantreiben und marktfähig machen.
Solarmodule aus dem Workshop ‘Building Integrated Photovoltaics’ der Professur für Architektur und Gebäudesysteme, ETH Zürich, März 2021. Foto: ETH Material Hub
Um auszuloten, was in Zukunft in gestalterischer Hinsicht zum Thema Architektur und Solarenergie noch möglich sein könnte, haben Architekturstudenten im März 2021 in einem Workshop zum Thema Building Integrated Photovoltaik der Professur für Architektur und Gebäudesysteme der ETH Zürich selbst Solarmodule entworfen. In einer Ausstellung am ETH Material Hub in der Baubibliothek auf dem Hönggerberg werden die Resultate dieses Workshops präsentiert und die elementaren Bausteine von Photovoltaiksystemen vorgestellt. Die Studentenarbeiten sind auch digital auf der Webseite des Material-Archivs abrufbar.