Wie kaum ein anderer hat der Zürcher Jakob Ackeret (1898-1981) die Forschung wie auch das praktische Ingenieurwesen im Bereich Aerodynamik geprägt. Die 2019 an der ETH-Bibliothek gegründete Sammlung wissenschaftlicher Instrumente und Lehrmittel (WIL) konnte im September 2019 und im Februar 2020 in zwei Ablieferungen rund 430 Objekte aus dem ehemaligen Institut für Aerodynamik (1934-1988) entgegennehmen, von denen sich etliche direkt auf die Forschungen von Jakob Ackeret zurückführen lassen.
Das Institut für Aerodynamik an der ETH Zürich wurde 1934 gegründet. Bereits Ende der 1920er Jahre formulierte das eidgenössische Militär das Bedürfnis nach einer Versuchsanstalt für das Flugwesen. Nach längeren Verhandlungen wurde 1930 beschlossen, im Maschinenlaboratorium der ETH ein aerodynamisches Laboratorium einzurichten und 1931 eine ausserordentliche Professur für Aerodynamik zu besetzen. In Jakob Ackeret war ein geeigneter Kandidat gefunden. 1934 wurde die Stelle schliesslich zu einer ordentlichen Professur mit eigenem Institut ausgebaut und von Anfang an mit modernen Messeinrichtungen und leistungsfähigen Windkanälen ausgerüstet.
Erste Modelle im Windkanal: Die Militärflugzeuge C-35 und C-36
Mit der Gründung des Instituts und der Errichtung eines grossen Windkanals reagierten die Hochschule und die Bundesbehörden in erster Linie auf ein Bedürfnis des Militärs. Dies zeigte sich auch insofern, als der grosse Windkanal vom Militär bereits in Anspruch genommen wurde, noch bevor sämtliche Feinjustierungen gemacht waren: Das Institut für Aerodynamik sollte ein neues Flugzeugmodell der Schweizer Luftwaffe testen: Den zweisitzigen Doppeldecker, welcher später bei der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte Thun in Produktion gehen sollte, den C-35. (Vgl. Ackeret, Jakob: Jahresbericht Institut für Aerodynamik für das Jahr 1935, 27.2.1936.)
Das in den 1930er Jahren getestete Flugzeugmodell des C-35 fand 2019 Eingang in die neue Sammlung an der ETH-Bibliothek. Über die Jahre hat es allerdings einige Schäden erlitten, so sind beispielsweise Höhen- und Seitenruder (links unten im Bild) abgebrochen, weswegen das Flugzeug im Sommer 2020 restauriert wurde, Sammlung WIL: ETHZ_IFAe_0384
Die Sammlung WIL sammelt nebst wissenschaftlichen Modellen und Instrumenten auch Objekte, welche in der Lehre verwendet wurden, so etwa dieses Lehrmodell von Druckbildern des C-35 mit und ohne Fahrgestell, Sammlung WIL: ETHZ_IFAe_0364
In den 1940er Jahren testete das schweizerische Militär im Zürcher Windkanal alle seine militärischen Strahlflugzeuge, so auch das Aufklärungs- und Erdkampfflugzeug C-36, welches von der Eidgenössischen Konstruktionswerkstätte in Thun ab 1939 entwickelt wurde. Auch ein Modell des C-36 konnte übernommen werden, Sammlung WIL: ETHZ_IFAe_0431
Von vielen der Modelle, welche in die Sammlung WIL übernommen wurden, existieren auch Bilder im Bildarchiv, hier eine Aufnahme eines Modells des C-36 vom 23.8.1938, Bildarchiv: Ans_05050-038
Der erste Überschallkanal mit geschlossenem Kreislauf
Grosse Bekanntheit erlangte das neue Institut für Aerodynamik hauptsächlich wegen seinem Überschallkanal. Es handelte sich um den weltweit ersten Überschallkanal mit geschlossenem Kreislauf. Auch in anderen aerodynamischen Instituten und Versuchsanstalten gab es zwar bereits Überschallwindkanäle, doch funktionierten diese nach einem anderen Prinzip, welches keinen kontinuierlichen Betrieb ermöglichte. Ackeret und seine Mitarbeiter hatten die Idee, den Luftkreislauf in einem abgedichteten Kanal mit Unterdruck zu betreiben, was eine längere und kontinuierliche Messzeit ermöglichte. Der Zürcher Überschallkanal war eine Sensation und zog Besucher aus dem In- und Ausland an. Heute gehört der geschlossene Überschallwindkanal zur Standardeinrichtung in der Luftfahrtforschung.
Der Zürcher Überschallkanal mit einem Rotationskörpermodell, Bildarchiv: Ans_00513
Bereits in seiner Assistenzzeit bei Ludwig Prandtl an der Aerodynamischen Versuchsanstalt AVA in Göttingen hatte sich Ackeret erstmals mit dem Überschall befasst und forschte dort zu Luftkräften, die an Flügeln wirken, die mit Überschallgeschwindigkeit angeströmt werden. Das Thema «Überschall» zog sich durch seine ganze akademische Laufbahn: 1928 habilitierte er an der ETH Zürich mit einer Arbeit über den Luftwiderstand bei sehr grossen Geschwindigkeiten und auch in seiner Antrittsvorlesung stand der Überschall im Zentrum. Er führte darin einen neuen Begriff ein, der bis heute gültig ist: Die Mach-Zahl. Diese gibt das Verhältnis der Geschwindigkeit eines Flugobjektes zur Geschwindigkeit des Schalls an.
Die Forschungen zu Strömungsphänomenen um Tragflügelprofile verfolgte Ackeret in Zürich nicht nur im Überschall-, sondern auch im grossen Windkanal weiter. Etliche Tragflügel, die im grossen Windkanal verwendet wurden, konnten in die Sammlung WIL übernommen werden.
Ein Tragflügel mit rosafarbenen Wollfäden, mit welchen die Strömung sichtbar gemacht wurde, ETHZ_IFAe_0029
Verkehrsflugzeug mit Überschallgeschwindigkeit
Das Interesse für den Überschall, geweckt an der AVA in Göttingen, zog sich durch sein ganzes Leben. Dabei hegte Ackeret stets die Vision eines Überschall-Verkehrsflugzeuges, von dem ebenfalls ein Modell in die Sammlung WIL eingegangen ist. Auch in seiner Abschiedsvorlesung 1967 widmete sich Ackeret noch einmal dem Überschallverkehrsflugzeug. Die intensiven Gespräche, die Ackeret in den 1960er Jahren diesbezüglich mit der Swissair führte, führten allerdings ins Leere: Seitens Swissair überwogen bereits damals die wirtschaftlichen und ökologischen Bedenken.
Dieses Modell eines Überschall-Verkehrsflugzeuges stammt aus dem Jahr 1961, Sammlung WIL, ETHZ_IFAe_0430
Verwendete Literatur:
Ackeret, Jakob: Jahresbericht Institut für Aerodynamik für das Jahr 1935, 27.2.1936
Bridel, Georges: Jakob Ackeret (1898-1981), in: Schweizer Wegbereiters des Luftverkehrs, Meilen 1998 (Serie: Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik; 67), S. 73-92.
Burri, Monika; Westermann, Andrea: Der Traum von einem nationalen Flugzeug. Die ETH als aerodynamische Denkfabrik, in: Dies.: ETHistory 1855-2005. Sightseeing durch 150 Jahre ETH Zürich, Baden 2005, S. 188-192.
Mumenthaler, Rudolf: Ausstellung zu Jakob Ackeret an der ETH Zürich