Mit der modernen Nachhaltigkeitsdiskussion stehen auch das Material und die Suche nach alternativen Materialien verstärkt im Fokus des Interesses.
Die sich nach einem umfassenden Relaunch neu präsentierende Datenbank www.materialarchiv.ch trägt dem Rechnung und stellt die momentan rund 1’300 erfassten Materialien stärker in einen Kontext. Seit dem 4. September 2020 präsentiert sie sich nicht nur in einem neuen Kleid, das graphisch bewusst auf das alte aufbaut, sondern eröffnet auch ein erweitertes Spektrum an Such- und Verknüpfungsmöglichkeiten sowie neue Inhalte.
Im Backend basiert alles auf einem semantischen Datenmodell, das in Zukunft Verbindungen mit anderen, auf Normdaten basierenden Datenbanken erlaubt. Konzipiert wurde das Ganze vom Zürcher Büro Astrom / Zimmer & Tereszkiewicz.
Das Netzwerk Material-Archiv wurde 2007 von vier Schweizer Institutionen aus dem Bereich Kunst, Design und Architektur gegründet, namentlich dem Gewerbemuseum Winterthur, dem Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern, dem Sitterwerk in St. Gallen und der Zürcher Hochschule der Künste. In den darauffolgenden Jahren kamen fünf weitere Partner dazu: das Departement Design & Kunst der Hochschule Luzern, die ETH Zürich mit dem Departement Architektur und der ETH-Bibliothek, das Departement Architektur, Gestaltung & Bauingenieurwesen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur, die Hochschule der Künste Bern mit den Fachbereichen Konservierung & Restaurierung sowie Gestaltung & Kunst sowie Anfang diesen Jahres die Schweizer Baumuster-Centrale Zürich.
An allen neun Orten existieren öffentliche, frei zugängliche Materialsammlungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Was man in welcher Sammlung physisch vorfindet, erfährt man online, indem man eine spezifische Sammlung als Filter setzt.
Neue Materialmuster werden kontinuierlich in Wort und Bild für die Online-Datenbank erfasst: Deren Kernstück sind die Materialdatensätze, in denen Aspekte wie Herkunft und Entstehung/Herstellung, Eigenschaften, Bearbeitungsmöglichkeiten, (Kultur-)Geschichte, ökologische Aspekte usw. beleuchtet werden.
Das Materialspektrum reicht dabei von Metall, Holz, Glas, Stein, Keramik über Zement, Wachs, Papier, Pflanzliche und Tierische Werkstoffe bis hin zu Kunststoffen, Gips, Lehm, Kalk, Lösungs- und Farbmitteln. So finden sich neben Ambra, Cocobolo und Gampi Datensätze zu Klinker, Knochenleim, Marmorgips, Organza, Rouge du Languedoc, Tadelakt, Textilbeton, Vakuumisolierglas, Weichparaffin, Wellerlehm, Wetterfestem Baustahl sowie Drachenblut. Auch Schnee und Menschenhaar ergeben Treffer.
Alle Materialien werden in sogenannten Materialgruppen verortet, wobei manche auch mehreren Gruppen angehören, wie zum Beispiel Obsidian, ein vulkanisches Gesteinsglas, das sowohl unter Erstarrungsgesteinen eingeordnet ist als auch unter Natürlichen Gläsern, oder Lincrusta, das zu Pflanzliche Verbundwerkstoffe und Kunststoffe gehört.
Neu sind in der Datenbank auch materialverarbeitende oder -produzierende Verfahren anzutreffen wie Spritzgiessen, Handstricken, Stereolithographie, Fingerzinkung oder Gerben. Diese werden jeweils beschrieben und mit Fotos von sogenannten Verfahrensmustern versehen.
Prominenter als früher werden nun die Anwendungen präsentiert: Bauwerke, Designobjekte, Alltagsgegenstände oder Experimente. Im Zentrum aber bleibt das Material, nach dem sich alles – Sammlungen, Materialgruppen, Verfahren, Anwendungen und Events – filtern lässt. Das bedeutet, dass die Suche nicht unbedingt vom Material ausgehen muss, sie kann von allen der gerade genannten Entitäten starten, zum Beispiel von einem Architekturobjekt oder einer Ausstellung. Zudem erlaubt eine sorgfältig modellierte, bequeme Stichwortsuche weitere inhaltliche Annäherungen ans Material. Die Wege der Informationsgewinnung sind vielfältig und vom Nutzer steuerbar.
Ein Besuch in einer der neun Material-Archiv-Sammlungen und das haptische, sinnliche Erfahren von Material vor Ort ist indes durch die Datenbank nicht zu ersetzen: Sie soll Ausgangspunkt sein oder Vertiefung – je nachdem.