«Ich will für Ihre Production gern wirken…» – Zu 122 Jahren Thomas Mann, S. Fischer Verlag und Thomas-Mann-Archiv

Seit 1956 befindet sich der Nachlass Thomas Manns an der ETH Zürich – ebenso lange dauert die freundschaftliche Verbundenheit zwischen dem Thomas-Mann-Archiv und dem S. Fischer Verlag an. Zu Lebzeiten Thomas Manns, von 1897 bis 1955 bildeten Autor und Verlag eine ununterbrochene, höchst erfolgreiche und allen Wirren des nationalsozialistischen Exils trotzende Gemeinschaft.

Thomas Mann und Samuel Fischer in Alt Aussee, 1925, ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf unbekannt / TMA_AL7_6161

Thomas Mann, Samuel Fischer und Jakob Wassermann in St. Moritz, 1931, ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Heinz Niedecken / TMA_0227

Katia Mann, Thomas Mann und Gottfried Bermann Fischer in Küsnacht, ca. 1935, ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf unbekannt / TMA_0315

Archiv und Verlag

Das nach dem Tod Thomas Manns gegründete Zürcher Archiv überliefert nicht nur den Nachlass des Autors, sondern pflegt – in veränderter Form – auch dessen Beziehung zum S. Fischer Verlag weiter. Seit der Archivgründung fand und findet eine enge Zusammenarbeit statt: bei (Neu)Editionen von Werken, bei der Ausgabe der Regesten und Register zu den Briefen Thomas Manns und seit 2001 bei der Gesamtausgabe der Werke, Briefe und Tagebücher, der Grossen Kommentieren Frankfurter Ausgabe (GKFA).

Titelblatt Die Briefe Thomas Manns. Regesten und Register, Bd. I, 1976

Titelblatt Joseph und seine Brüder I, GKFA 2018

Die jüngste Zusammenarbeit von Archiv und Verlag schafft den online-Zugang zu digitalisierten Originaldokumenten von Thomas Mann. Obwohl die Urheberrechte noch bis Ende 2025 laufen, können seit 2018 mit Erlaubnis des S. Fischer Verlags und der Erbengemeinschaft ausgewählte Werkmanuskripte, Briefe und Materialiensammlungen in der Archivdatenbank des Thomas-Mann-Archivs im Digitalisat konsultiert werden.

Seite aus Materialien zu «Der Tod in Venedig», TMA A-I-Mp XI 13e grün. Alle Rechte vorbehalten S. Fischer Verlag GmbH

Postkarte an Carl Ehrenberg, 1916, TMA B-I-EHRC-43. Alle Rechte vorbehalten S. Fischer Verlag GmbH

Der Beginn 1897

Alles begann mit Verlagsgründer Samuel Fischer (1859-1934) und dem Verlagsangebot, das dieser Thomas Mann im Mai 1897 unterbreitete:

«[…] ich würde mich aber freuen, wenn Sie mir Gelegenheit geben würden, ein grösseres Prosawerk von Ihnen zu veröffentlichen, vielleicht einen Roman, wenn er auch nicht so lang ist. […] Ich will für Ihre Production gern wirken, natürlich unter der Voraussetzung, dass Sie mir alle Ihre Produkte zum Verlag übergeben.»

Samuel Fischer an Thomas Mann, Berlin 29.05.1897, TMA-B-II-FISL-1

Die erste Veröffentlichung Thomas Manns bei Fischer, ein 1898 erschienener Novellenband, sollte zum Ladenhüter werden und der im Brief gewünschte Roman, den der Autor gut zwei Jahre später im Manuskript vorlegte, war entgegen Fischers Anforderung massiv zu lang. Trotzdem, wenn auch widerstrebend, verlegte Samuel Fischer das Werk und dies war wohl die beste Entscheidung, die er treffen konnte: Die 1901 erstmals veröffentlichten «Buddenbrooks» wurden zum absoluten Bestseller. 1918 bereits in 100. Auflage gedruckt, verkauften sich 1929, nach der Verleihung des Nobelpreises an Thomas Mann, in einer Woche eine Million Exemplare und die 1930 aufgelegte günstige Volksausgabe sprengte hinsichtlich ihres Absatzes noch einmal jede Erwartung.

Cover der Erstausgabe der «Buddenbrooks», 1901, TMW-R 1:01 (1) I

Samuel Fischer hatte es verstanden, seine Autoren «lebenslänglich» an sich zu binden – neben Thomas Mann waren das unter anderem auch Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal oder Hermann Hesse. Fischers Erfolgsmittel war die gross gedachte Werkausgabe, das heisst, bereits Gedrucktes noch einmal neu zusammengestellt zu veröffentlichen. Diese Publikationsform sollte Fischers Autoren so schon zu Lebzeiten ein Nachleben sichern. Für Thomas Mann erschienen seit den 1920er Jahren vier Gesamtausgaben, die letzte ist die seit 2001 laufende, bereits erwähnte GKFA.

Verlagsnachfolger Bermann Fischer und die Zeit des Exils

Wie den von Nazi-Deutschland ausgebürgerten und verbotenen Autor Thomas Mann zwangen die Zeitumstände auch sein Verlagshaus ins Exil. Der Wunsch nach Niederlassung in der Schweiz scheiterte 1935 am Widerstand der Schweizerischen Verleger-Vereinigung. So waren die Exilstationen des Verlagsnachfolgers Gottfried Bermann Fischer (1897-1997) zuerst Wien und, nach dem Anschluss Österreichs im März 1938, Stockholm. Gezwungen, auch aus Schweden zu fliehen, rettete sich die Familie Berman Fischer 1940 in die USA, von wo aus der in Stockholm verbliebene Verlag geleitet wurde. Allerdings belasteten die unzuverlässigen transatlantischen Kommunikationswege, der schrumpfende Absatzmarkt für deutsche Bücher und Schwierigkeiten bei Finanztransaktionen die Geschäftsführung stark. Die Tatsache, dass die Bücher in Schweden von des Deutschen nicht mächtigen Setzern produziert wurden, führte zu sehr fehlerhaften Ausgaben, wie das Beispiel von Thomas Manns «Joseph der Ernährer» von 1943 zeigt. Nach ihrer Rückkehr nach Europa gründeten Gottfried Bermann-Fischer und Brigitte Fischer den S. Fischer Verlag 1950 in Frankfurt am Main neu und der Betrieb normalisierte sich. Über den Tod Thomas Manns hinaus erhielt sich in der Folge eine gute, bis heute 122 Jahre andauernde Zusammenarbeit mit dem S. Fischer Verlag!

Literatur

Gunilla Eschenbach: Thomas Mann, Samuel Fischer und der S. Fischer Verlag, in: Thomas Mann Jahrbuch (Bd. 31), Frankfurt am Main 2018, S. 49-64.

Helmut Koopmann: Thomas Mann und Samuel Fischer, in: Thomas Mann Jahrbuch (Bd. 14), Frankfurt am Main 2001, S. 105-127.

Peter de Mendelssohn (Hg.): Thomas Mann. Briefwechsel mit seinem Verleger Gottfried Bermann Fischer 1932-1955.

Roland Spahr: Thomas Mann im S. Fischer Verlag, in: Blätter der Thomas Mann Gesellschaft Zürich (Nr. 33), Zürich 2008-2009, S. 7-19.

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