Heute vor 50 Jahren am 1. Dezember 1967 wurde der 6,6, km lange San Bernardino Strassentunnel für den Verkehr eröffnet. Er ist nach dem Gotthard die zweitwichtigste Strassen-Alpenüberquerung der Schweiz und verbindet als Teil der Autobahn A 13 (damals Nationalstrasse N 13) die Ostschweiz mit der Alpensüdseite und dem Tessin.
Vorgeschichte: Durchstich am 10. April 1965
Hans Gerber: San Bernardino Tunneldurchstich, 10. April 1965 (Com_L14-0221-0003-0003)
Zum Durchstich am 10. April 1965 schreibt Silfredo Spadini:
Am 10. April 1965 fiel im Tunnel die letzte Trennwand. Die von der Natur vor Jahrmillionen aufgetürmte Felsbarriere war durchbrochen. Mehrere hundert Gäste erlebten die letzten Salven von Detonationen, die Erstürmung des Haufwerks durch die Mineure, die überschwengliche gegenseitige Begrüssung im Zeichen südländischen Temperaments, das Klirren der Gläser, die holprige Fahrt zum Südportal, den festlichen Empfang in San Bernardino (S. 86).
Hans Gerber: San Bernardino Tunneldurchstich, 10. April 1965 (Com_L14-0221-0004-0004)
Die Eröffnung: Graubünden als Touristen- und Transitland
Gut zwei Jahre später betont Hans-Peter Tschudi in der zur Eröffnung erschienen Publikation San Bernardino, Schweizerische Nationalstrasse N 13 die Bedeutung des neuen Tunnels für den Transitverkehr, nachdem dieser nach dem Bau der Gotthardbahn 1882 praktisch zum Erliegen gekommen war:
Für die Bündner geht ein seit Jahrzehnten gehegter Wunsch in Erfüllung: eine ganzjährige Strassenverbindung mit ihren südlich der Wasserscheide, im Misox, wohnenden Mitbürgern. Rätien bleibt in Zukunft nicht mehr allein Ziel des internationalen Tourismus, sondern es wird wieder, wie in früheren Epochen, Transitland, und es darf vom pulsierenden Verkehrsstrom einen wirtschaftlichen Aufschwung sowie mannigfache kulturelle Anregungen erwarten (S. 3).
Tschudis damalige Begeisterung mag verständlich sein, aber ob die Bewohnerinnen und Bewohner der anliegenden Gemeinden Tschudis Freude über den “pulsierenden Verkehrsstrom” heute teilen, kann man bezweifeln.
Jack Metzger: San Bernardino, Eröffnung, 01.12.1967: Hans-Peter Tschudi durchschneidet das Band (Com_L16-0725-0015-0002)
Tunnelsanierung und Verkehrsmanagement
Zwischen 1991 und 2006 wurde der San Bernardino Tunnel saniert. Er erhielt unter anderem eine neue Lüftung, eine neue Fahrbahnplatte, neue Wandverkleidung, Sicherheitsstollen unter der Fahrbahn und neue technische Installationen. Der Brand im Mont Blanc Tunnel zwischen Frankreich und Italien hatte 1999 auch in der Schweiz zu einer Überprüfung der Tunnelsicherheit geführt. Im Jahr 2001 diente die San Bernardino Route nach einem Unfall und einer Brandkatastrophe im Gotthardtunnel als Ausweichroute für den Schwerverkehr. Seither sind die Frequenzen für den Transitgüterverkehr aus Sicherheitsgründen begrenzt. Der Bund und die beteiligten Kantone bewirtschaften die Strassenkapazität am Gotthard und am San Bernardino mit einem Dosiersystem.
Jack Metzger: San Bernardino, Eröffnung, 01.12.1967 (Com_L16-0725-0020-0001)
Literatur
Kleiner Rat des Kantons Graubünden: San Bernardino, Schweizerische Nationalstrasse N 13. Chur: Druckschriften- und Lehrmittelverlag des Kantons Graubünden, 1967.
Silfredo Spadini:”Vom Saumpfad zum modernen Strassentunnel” in: Kleiner Rat des Kantons Graubünden: San Bernardino, Schweizerische Nationalstrasse N 13. Chur: Druckschriften- und Lehrmittelverlag des Kantons Graubünden, 1967, S. 40-104.