Am 19. Dezember 1953 machte sich Thomas Mann um „½ 5“ nachmittags in Begleitung von Frau Katia und Tochter Erika Mann von Erlenbach „zur Stadt“ auf, um in einem Studiokino die Probeaufführung seines vom deutschen Regisseur Harald Braun verfilmten Romans „Königliche Hoheit“ zu sehen. Den Kinobesuch dokumentiert ein Tagebucheintrag vom genannten Datum:
„Erlenbach, Sonnabend den 19.XII.53
[…] 1/2 5 mit K., E. und »der Marie« zur Stadt, Studio, drei Treppen hoch, geführt vom jungen Braun, sein Vater dann, der sehr aufgeregt war, der Producer, leicht verwachsen, Frau Dr. Braun, Gasser, Golo, weitere Zuschauer. Fauteuils mit K. und E.. Film zog farbig vorüber, technisch noch unfertig, zu dunkel oft, Klang und Bewegung noch nicht koordiniert. Aber prächtig, heiter und gemütvoll, auch geschickt, mit den Andeutungen des Gedachten, z.T. sehr gut gespielt. [… Später] hatten wir Champagner-Souper bei uns mit den Filmleuten. Ich gratulierte u. dankte bei Tisch. Den Kreis im Wohnzimmer leidlich untergebracht. […] Nicht allzu spät ins Bett, sehr müde. Schönes Leder-Album mit farbigen Bildern des Films.”(Thomas Mann, Tagebücher 1953-1955, Frankfurt am Main 2003, S. 155-156)
Rund zehn Monate nach der Probeaufführung fand am 8. Oktober 1954 schliesslich die Filmpremiere von „Königliche Hoheit“ im Zürcher Kino Orient statt – und Thomas, Katia und Erika Mann waren auch hier wieder mit von der Partie.
Abb. 1: Filmpremiere zu „Königliche Hoheit“ 1954 in Zürich, von links: Regisseur Harald Braun, Produzent Hans Abich, Thomas Mann, Erika Mann und Katia Mann (ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Comet Photo (TMA_3624).
Das oben im Tagebucheintrag beiläufig erwähnte „Leder-Album mit farbigen Bildern des Films“ ist heute in den Beständen des Thomas-Mann-Archivs (TMA) überliefert und dank eines Projekts zur Neuerschliessung und Digitalisierung des TMA-Fotobestands nun in digitaler Form im Lesesaal einsehbar.
Abb. 2: Screenshot des im TMA-Lesesaal zugänglichen Webclients, im Bild das erwähnte Album mit Aufnahmen aus dem Film „Königliche Hoheit“. Die Aufnahmen sind noch nicht rechtefrei und darum nur im Lesesaal einsehbar (TMA_AL35)
Mit dem Digitalisierungsprojekt konnte ein bis heute wenig bekannter, aber für Forschung und Öffentlichkeit besonders interessanter Teilbestand besser zugänglich gemacht werden: Zum Fotobestand des TMA gehören 33 kleinere und grössere Fotoalben und Leporellos aus dem Besitz der Familie Mann, die unter anderem Familiensituationen in München und bei Urlaubsaufenthalten zeigen, oder den „öffentlichen“ Thomas Mann auf Vortragsreisen oder Empfängen. Urheber der Fotografien in den Alben sind oft Drittpersonen: Beispielsweise Ida Herz, die langjährige Bibliothekarin Thomas Manns, jedoch auch private Bekannte und Unbekannte, Fotografen oder Filmschaffende, die Thomas Mann zur Erinnerung mit einem selbstgestalteten Album beschenkt hatten.
Die erstmals bei einer Erfassung berücksichtigten Fotoalben wurden auf Einzelbildstufe erschlossen; digitalisiert wurden sowohl die ganzen Albumseiten, als auch die darauf montierten Einzelbilder, ebenso die Albumdeckel. So konnten die Einzelbilder detailliert beschrieben werden, ohne dass der Kontext zur Albumseite oder zum Album verloren ging.
Abb. 3: Screenshot aus E-Pics mit Digitalisaten von Albumseiten und Einzelbildern eines Familienalbums (TMA_AL7)
Abb. 4: Vorderer Albumdeckel eines Familienalbums der Manns (ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv (TMA_AL7_6142a)
Der Fotobestand des Thomas-Mann-Archivs umfasst rund 6000 Bilder, die Leben, Werk und Wirken von Thomas Mann dokumentieren. Von diesen Fotografien sind heute rund 2000 rechtefrei und über die Bildplattform der ETH Zürich, E-Pics, hochauflösend zur freien Nutzung zugänglich. Die Fotoalben sind, wenn bereits rechtefrei, ebenfalls über E-Pics zugänglich; bei noch laufenden Urheberrechten oder noch nicht abgeklärter Rechtslage können sie im Lesesaal des Thomas-Mann-Archivs eingesehen werden.