Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg verdichtet sich in Verdun. Die monatelange Schlacht um die französische Stadt ist Symbol für den äusserst blutigen, aber nicht kriegsentscheidenden Stellungskrieg an der Westfront. Auf einem Flug von London nach Zürich in den 1930er Jahren fotografierte Walter Mittelholzer Erinnerungsorte und Schützengräben bei Verdun aus der Luft.
Walter Mittelholzer: Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg,
Flug von London über Verdun in die Schweiz, 1933-1936 (ETH-Bibliothek, Bildarchiv, LBS_MH02-51-0020)
Der ausgebildete Fotograf und Schweizer Luftfahrtpionier Walter Mittelholzer (1894–1937) hat sich durch viele aussergewöhnliche Luftbilder von hervorragender Qualität einen Namen gemacht. In Mittelholzers fotografischem Nachlass finden sich aber durchaus auch Schnappschüsse. Dazu zählen 37 Aufnahmen, die auf einem Flug von London nach Zürich entstanden. Zwischen Start und Ziel richtete Walter Mittelholzer seine Kamera nicht nur auf die Hafenanlagen von Folkestone und Calais, Fabriken, Burgruinen und Hügellandschaften. Im Raum von Verdun fotografierte er Erinnerungsstätten und Spuren des Ersten Weltkriegs:
Walter Mittelholzer: Amerikanischer Friedhof, Romagne-sous-Montfaucon,
Flug von London über Verdun in die Schweiz, 1933-1936 (ETH-Bibliothek, Bildarchiv, LBS_MH02-51-0015)
Walter Mittelholzer: Beinhaus von Douaumont, Verdun,
Flug von London über Verdun in die Schweiz, 1933-1936 (ETH-Bibliothek, Bildarchiv, LBS_MH02-51-0018)
Walter Mittelholzer: Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg,
Flug von London über Verdun in die Schweiz, 1933-1936 (ETH-Bibliothek, Bildarchiv, LBS_MH02-51-0019)
Vor allem die Luftaufnahmen der gut erkennbaren Schützengräben hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen zeugen sie eindrücklich davon, welche bleibenden Narben der furchtbare und verlustreiche Stellungskrieg um Verdun nicht nur in der Landschaft hinterliess.
Zum anderen sind diese Luftaufnahmen von Kriegsschauplätzen des Ersten Weltkriegs im Kontext der lebhaften Diskussion der 1930er Jahre zu sehen, die um die moderne Luftkriegsführung geführt wurde. Um künftige Stellungskriege wie an der Westfront des Ersten Weltkriegs zu vermeiden, spielte in den damaligen Rüstungsprogrammen grosser Nationen die rasche Mechanisierung sämtlicher Truppengattungen eine entscheidende Rolle. Der Ausbau der Luftwaffe war dabei mit Blick auf die Eroberung bzw. Sicherung des Luftraums besonders wichtig. In der Schweiz führte diese Entwicklung über die Einschätzung der veränderten Bedrohungslage des Generalstabschefs im sogenannten „Memorial Luftschutz“ vom 31.12.1935 zur Neuorganisation der Luftwaffe als selbständige Waffengattung. Ob Walter Mittelholzer, der im Ersten Weltkrieg seinen Aktivdienst als Aufklärungspilot bei der kleinen Schweizer Lufttruppe geleistet hatte, bei seinem Flug über die Gegend von Verdun an die Bedrohung eines nächsten Krieges gedacht hat, kann nur spekuliert werden.