“Das Fahrrad der Zukunft“ titelt der Artikel in der Samstagsausgabe der Würtemberger Zeitung vom 29. Januar 1921. Er handelt vom J-Rad, einer Erfindung des Ingenieurs Paul Jaray, und lobt die Neuentwicklung nach allen Regeln der Kunst, wie folgendes Zitat beweist.
„Man wählte zur Vorführung der Vorzüge des J-Rads eine, für den gewöhnlichen Radfahrer höchst peinliche Gegend, nämlich die Lenzhalde, und es war erstaunlich zu sehen, wie leicht und mühelos der Ingenieur Jaray mit seinem übrigens rein äusserlich sehr schmucken und gefälligen Rad die beträchtliche Steigung nahm, ohne irgendwie sich anzustrengen. Er lachte und scherzte vergnügt mit den Begleitern, und trat, bequem im Rad sitzend, behaglich und sanft den langen Weg bis zur Doggenburg hinauf. Ganz besonders fällt auf, wie ruhig und geräuschlos das Rad läuft, wie sicher es über alle Tücken des Wegs hinweggleitet, und es ist ganz verwunderlich, dass man bei der Bergfahrt so gar nicht den Eindruck bekommt, als ginge es irgendwie steil und mit Anstrengung hinan. Es läuft so selbstverständlich und gelassen dahin, als ging es auf dem schönsten, ebenen Bürgersteig.“
ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 1144:127-1. Disposition J-Rad, 1921.
Jaray befasst sich als Ingenieur bei der Firma Luftschiffbau Zeppelin, Friedrichshafen, mit der Aerodynamik von Luftschiffen und Flugzeugen. Später wendet er sich dem Strassenverkehr zu und wird ein Pionier in der Entwicklung von stromlinienförmigen Automobilkarosserien. 1919 macht er sich daran das Fahrrad zu revolutionieren mit dem „Entwurf und Bau eines Schwinghebel-Fahrrades. Antrieb mit Seil. Ideales Tangentialdrück-Diagramm. Drei Übersetzungen durch Verschieben der Fuss-Angriffspunktes am Pedalhebel“ (ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 1146:1. Notiz „Bericht über meine Arbeiten“). Jaray wendet also nicht bloss seine aerodynamischen Kenntnisse auf den Fahrradbau an, sondern versucht auch den Antrieb zu revolutionieren, indem er an Stelle einer Pedalkurbel einen Trethebelantrieb verwendet.
ETH-Bibliothek, Hochschularchiv, Hs 1144:270. Notizbuch Nov. 22-März 23.
Die Hesperus-Werke in Stuttgart bauen das J-Rad ab 1922 in Serie. Das Fahrrad findet insbesondere in Holland grossen Anklang. Bereits 1923 kommt es auf Grund tödlicher Unfälle durch Materialfehler zu einem Gerichtsverfahren. Daraufhin wird die Produktion eingestellt. Die anfängliche Begeisterung für Paul Jarays Innovation in der Fachwelt hallt nichtsdestotrotz bis zum heutigen Tag nach. So existiert für das J-Rad eine eigene Webseite. Der schriftliche Nachlass Paul Jarays mit Manuskripten, Konstruktionsplänen und Korrespondenz befindet sich im Hochschularchiv der ETH Zürich.