Den Leserinnen und Lesern, die dem gestrigen Einstein Bienenblog auf den Honig gekrochen sind, sei versichert: Das neu entdeckte Dokument von Albert Einstein war ein Aprilscherz. Der Titel “Bienblüte” weist darauf hin, dass es sich um eine Fälschung – eben eine sogenannte “Blüte” – handelt, nämlich um eine Tintenfederfingergymnastikübung der Blogautorin.
Mutmassliche Notiz von Albert Einstein 1. April 1900 (ETH-Bibliothek, Archiv, Hs 1305:15_f1
Am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich endete das Wintersemester 1899/1900 am 24. März 1900. Das Sommersemester 1900 begann am 17. April. Dazwischen waren Semesterferien. Am 1. April 1900, dem Datum der Notiz, fanden gar keine Lehrveranstaltungen statt.
Tatsache ist, nachzulesen In den Matrikeln von Albert Einstein und Mileva Maric, dass beide schon im Wintersemester 1897/98 bei Professor Albert Heim die Vorlesung “Urgeschichte des Menschen” belegten.
Von Heim selber, der anhand einiger Stichworte frei vorzutragen pflegte, ist kein Skript erhalten. Doch notierte im Wintersemester 1906/07 der Student und spätere Chemieprofessor an der Universität München, Arthur Stoll (1887-1971), während Heims “Urgeschichte” die Bemerkung: “Keine Trunksucht etc. keine Irrenhäuser” (ETH-Bibliothek, Archive, Hs 1425:7). Der in der damaligen Sittlichkeitsbewegung engagierte Heim brachte in seiner Veranstaltung also nachweislich zeitgenössische gesellschaftspolitische Fragen zur Sprache. Ob er dies allerdings immer schon so gehalten hatte, ist ungewiss. In den spärlichen Notaten aus der Vorlesung im Wintersemester 1875/76 von Georg Szavitz (1853-1915), Bauingenieurstudent, fehlen solche Hinweise (ETH-Bibliothek, Archive, Hs 489:31).
Tatsache ist jedenfalls, dass Heim auf Initiative von Studenten “vor der männlichen studierenden Jugend beider Hochschulen im Schwurgerichtssaale in Zürich” über “Das Geschlechtsleben vom Standpunkte der natürlichen Entwicklungsgeschichte” am 13. Februar 1900 vortrug. Weil das Lokal nur Platz für 700 Hörer bot, wurde angesichts der weitaus grösseren Nachfrage die Veranstaltung am 23. Februar 1900 wiederholt. In der Druckfassung des Vortrags steht auf Seite 4:
Die Sexualität […] hat die Natur um uns belebt mit Farbenglanz von Blüten und Tieren, mit dem Gesang der Vögel, und durch die Sexualität reift die goldene Frucht am Baume.
Bienen werden hier keine erwähnt. Explizit kommen sie nur auf Seite 20 vor:
Ameisenstaat, Bienenstaat etc. gehen alle eher darauf aus, die Ausübung des Geschlechtstriebes einzugrenzen […].
Die Herkunft des genauen Wortlauts von Albert Einsteins ungesicherter Äusserung über Bienen bleibt somit weiter ungeklärt.
Links:
Albert Heim. Das Geschlechtsleben des Menschen vom Standpunkte der natürlichen Entwicklungsgeschichte, Zürich 1900
das Zitat, in dem Einstein nach dem Sterben der Bienen den Menschen nur noch eine Lebenszeit von vier Jahren vorausgesagt haben soll, ist ohne Zweifel nicht Albert Einstein zuzuschreiben. Aus all dem, was Albert Einstein je geschrieben hat, geht hervor, dass er sich ueber diese Frage solche Gedanken nicht gemacht haben duerfte und kaum solch eine praezise Voraussage gemacht haette, die ueberdies ziemlich absurd ist. Hingegen hat er, als Antwort auf die Anfrage von “six little scientists” : “Ohne Sonnenstrahlung – kein Weizen, kein Brot – kein Gras, kein Vieh, kein Fleisch, keine Milch – und alles eingefroren. Kein Leben.” Zu einer praeziseren Aussage ueber Fragen der Oekologie hat er sich nicht berufen gefuehlt.